Vor dem Klima sind alle gleich

Dürfen Europäer auch weiterhin mehr Energie verbrauchen als z.B. Inder?

Wenn es ums Auto geht, ist Schluss mit lustig. Wenn es um die deutsche Autoindustrie geht, war bei Kanzlerin Merkel jeglicher Klima-Singsang vergessen. In Bali wurden noch große Töne gespuckt. Als die EU-Kommission einen Plan vorlegte, die CO2-Emissionen von PKW zu begrenzen, mutierte der deutsche Umweltminister zum Industrie-Lobbyisten. Das sei ein Anschlag auf „unsere“ deutsche Industrie, eine Verschwörung der Italiener und Franzosen, die nur ihre „kleinen“ Fahrzeuge begünstigen wollen.

Tatsache ist, dass die Deutschen vor allem große, schwere Autos produzieren, die deswegen mehr Sprit verbrauchen und mehr CO2 emittieren. Eigentlich müssten jetzt die Geisteswissenschaftler in die Klima-Debatte einsteigen. Darf ein großes Auto, eben weil es größer und schwerer ist, mehr CO2 hinauspusten?

Die Frage hat Sprengkraft und wird die Menschheit in den nächsten Jahren beschäftigen.

Denn sie stellt sich nicht nur bei Automobilen, sondern ganz generell bei unserem Lebensstil. Darf der Bewohner eines Industrielandes deutlich mehr Energie verbrauchen als einer in einem Entwicklungsland? Denn derzeit verbraucht ein durchschnittlicher Inder bloß ein Sechstel der Energie, die Hans oder Lisl in Österreich beanspruchen. Hier geht es nicht um Naturwissenschaft sondern um die Frage globaler Gerechtigkeit, globaler Verteilung. Sind wir alle gleich(berechtigt), mit Treibhausgasen die Atmosphäre zu verschmutzen oder gibt es „gleichere“.

Kommen wir zur Antwort, dass „vor dem Klima“ alle gleich sind, müssen wir Österreicher unsere CO2-Emissionen in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren um mehr als Zwei Drittel reduzieren. Das setzt einen Totalumbau der Wirtschaft voraus.

Tatsache bleibt, dass Millionen Inder, Chinesen und Indonesier unseren Lebensstil anstreben: Heizung, Klimaanlage, Auto, Licht und Waschmaschine. Und sie sind „erfolgreich“: In diesen Ländern wächst der fossile Energieverbrauch mit mehr als 10% im Jahr.

In diesem globalen Verteilungskampf werden jene Länder die Nase vorne haben, die zeigen, wie steigender Wohlstand mit drastisch reduziertem Energieverbrauch einhergehen kann. Die Technik dazu ist ausgereift, große Teile der Bevölkerung wären gerade in Österreich bereit diesen anspruchsvollen Weg zu gehen. Noch schläft die Politik.


chorherr.twoday.net("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.12.2007)

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