Schafft Latein ab!

Soll man Latein büffeln, um sich ein paar Knöchelchen besser zu merken?

Ich gehe in einen Italienischkurs. Ich verrate das ungern, weil ein Kollege von mir neulich im Scherz gemeint hat, er mutiere langsam zum Spießer, und wenn das so weitergehe, werde er noch Yoga betreiben oder einen Italienischkurs in der Volkshochschule besuchen, haha – und bei mir ist es zwar nicht Yoga, sondern Pilates, und ich besuche nicht die Volkshochschule, sondern das Italienische Kulturinstitut. Aber die Ähnlichkeit ist nicht zu übersehen.

Zwei Lektionen habe ich schon hinter mir, es ist also noch zu früh, um zu sagen, ob ich im Sommer imstande sein werde, mich mit Bademeister Emilio zu unterhalten, der immer geduldig genug war, zu entschlüsseln, was mein Mann und ich mit unserem Gefuchtel meinen. Aber immerhin haben mir zwei Lektionen gereicht, um bestätigt zu finden, was ich vermutet hatte: Latein hilft gar nichts. Nada. Niente. Rien. (Ich hoffe, das stimmt jetzt).

Nun ist es ja nicht so, dass mir Italienisch schwer fällt, im Gegenteil: fare erinnert mich ans französische faire, cancellare ans englische to cancel, dormire ist gleich dormir... Und so bastle ich mir mein Italienisch zusammen – nur an Latein habe ich noch kein einziges Mal gedacht, obwohl ich sechs Jahre Latein hatte und nur vier Französisch.

Jetzt will ich nicht behaupten, dass das Italienische mit dem Lateinischen gar keine Ähnlichkeit aufweist. Vielleicht tut es das ja. Wahrscheinlich sogar. Der Punkt ist: Ich weiß es nicht, ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was daher rührt, dass diese Sprache mausetot ist. Ja, ich bin versucht zu sagen: toter, totest. Toter als damals, als diese Sprache auch schon tot war, aber noch der eine oder andere lateinische Satz in der Kirche zu hören war. Und weil sich mein Gehirn nicht merkt, was es 20 Jahre nicht gebraucht hat – Voilà. Ecco. Nix mehr da.

Aber die Fremdwörter? Da hab ich die lateinischen auch nicht leichter erlernt als die aus dem Griechischen stammenden. Medizin? Soll man jahrelang Latein büffeln, um sich ein paar Knöchelchen besser zu merken? Die Grammatik? Ach, das Italienische hat doch auch eine Grammatik! Ich wünschte, ich hätte Italienisch gelernt statt Latein. Dann wäre ich jetzt vielleicht nicht so ein Spießer.


bettina.eibel-steiner@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2007)

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