Nachrichten vom nicht ganz perfekten Leben, Teil 5

Nachrichten vom nicht ganz perfekten Leben, Teil 5: Ich war nicht gern schwanger –jedenfalls nicht beim zweiten Kind.

Hannah wurde im Juli geboren. Es war eine unkomplizierte Schwangerschaft. Im ersten Trimester war mir keine Sekunde schlecht, im zweiten Trimester störte mich im Wesentlichen nur das Alkoholverbot, und im dritten war es heiß. Ich mag Hitze. Ich trug leichte, kurze Kleider, wurde auf der Straße von anderen Frauen aufmunternd angegrinst und bekam bei Ikea ein zweites Stück Heidelbeerstreuselkuchen.

Dass ich gern schwanger war, kann ich trotzdem nicht behaupten.

Marlenes „Termin“ war im März. Es begann damit, dass mir hundeübel war, mein Gesicht wurde spitz statt sanft, mein Körper knochig statt rund, dann kam plötzlich der Bauch, ein gewaltiger Bauch über mageren Haxen, und als sei das nicht genug, wurde es Winter. Ich fand keine Kleidung, die einigermaßen bequem war, der Bund der Hosen juckte, die Strumpfhosen rutschten; wenn sie nicht rutschten, schnitten sie ein. Und als sei das nicht genug, sah man unter der dicken Daunenjacke, wie sie damals Mode war, meinen Bauch nur, wenn man auch hinschaute.

Keiner schaute. Das hieß: Kein Sitzplatz in der U-Bahn, kein freundliches Grinsen auf der Straße, kein Extrastück Heidelbeerstreuselkuchen. Dafür hatte ich Sodbrennen.

Ich war die grantigste Frau in Wien, der anerkannten Stadt des Grants.


Göttin der Fruchtbarkeit? Dagegen stand die Welt der Ratgeber und der Werbung: Sie zeigt von innen herausleuchtende werdende Mütter, die voller Hoffnung auf pastellfarbenen Sofas und unter sattgrünen Bäumen sitzen, dabei in glänzende Äpfel beißen oder Mineralwasser trinken und Sachen sagen wie: „Eine Schwangerschaft ist doch keine Krankheit!“

Nein, eine Krankheit nicht, aber manchmal ganz schön lästig, in meinem Fall würde ich sagen: etwa wie ein stärkerer Schnupfen. Das schreibe ich, weil ich eine Freundin habe, die im sechsten Monat ist und zum Glück zwar keine gröberen Beschwerden hat, sich das Ganze aber trotzdem anders vorgestellt hat: irgendwie romantischer, jedenfalls ohne Wasser in den Beinen und blutendes Zahnfleisch.

Wir sollten uns von ein paar Mythen verabschieden: von der Schwangeren als sexy Göttin der Fruchtbarkeit, der erdverbundenen Urmutter, von der Geburt als orgiastischem Moment im Leben der Frau, vom Stillen als dem intimen Band zwischen Mutter und Baby, ohne das die Beziehung nicht gelingen kann.

Schön, wer es erlebt.

Es geht aber auch anders. Schwangerschaft und Geburt haben schließlich einen Zweck: Am Ende ist ein Baby da.

Ich finde, das ist Glück genug.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2014)

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