Bunt ist das neue Schwarz

Waren Emos zu Beginn rotzig und ruppig, so wirkt die zweite Generation herzig.

Ich habe neulich im Fernsehen einen Emo gesehen. Zur Erklärung: Emos sind junge Leute, die sich gerne ein bisschen triste geben: Sie tragen schwarze Klamotten und schwarze Augenringe, wobei sie sonst eher blass sind – ein bisschen wie Pandabären, nur nicht so niedlich.

An sich sind Emos auch gar nichts Seltenes. Um ihnen zu begegnen, muss man gar nicht den Fernseher aufdrehen, man stellt sich einfach bei Schulschluss vor ein Gymnasium, da trotten sie dann heraus und murren grantig vor sich hin. Ich finde das gut. Ich war auch grantig. Nur war das damals noch nicht trendy.

Aber zurück zu meinem Fernseh-Emo: Dieser Emo – oder besser diese Emoin – trug ein grünes Mascherl im Haar und einen orangen Rock und eine Plüschtasche und auf die Frage, was denn einen Emo so ausmache, erklärte sie fröhlich: Bunt. Wir mögen es gerne bunt. Was Blödsinn ist.

Andererseits natürlich auch nicht. So eine Jugendkultur bleibt ja nicht stehen. Waren Emos zu Beginn rotzig und ruppig und stolz auf ihre fetten Haare, so wirkt die zweite Generation nachgerade herzig. Das notorische Schwarz wird zur Auflockerung mit Pink und niedlichen Mascherln kombiniert, die Kleider sind gebügelt, und vor den Augen dieser Emos hängen keine fettigen Strähnen mehr, sondern schräg geschnittene Ponys, wobei so ein durchschnittlicher Emo der zweiten Generation garantiert häufiger zum Friseur geht als ich. Sonst sähe das nicht gar so adrett aus.

Man kann das natürlich bedauern, dass von der Attitüde nur noch die Accessoires bleiben. Man könnte wieder einmal über die Kommerzialisierung der Jugendkultur den Kopf schütteln. Aber erstens sollten wir Erwachsenen nicht so groß daherreden: Was ist denn schon übrig geblieben von den ach so unkonventionellen Bobos, den bourgeois bohemian? Ich meine: außer Diskussionen über Espressomaschinen und den besten Bauernstand am Karmelitermarkt?

Zweitens sehe ich das ganze mit den Augen einer Mutter, und zwar einer Mutter, die sich in nicht allzu langer Zeit mit einer pubertierenden Tochter herumschlagen wird müssen: Mascherl ist mir lieber.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2008)

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