Ich darf »Baby« sagen und »super«

Ich darf »Baby« sagen und »super«, »Sex« und »cool«. Aber nicht »crazy« oder »dissen«, Das sei nämlich, meinen die Kinder, nicht altersadäquat.

Wir sind ja keine besonders polyglotte Familie. Ich komme aus Tirol, mein Mann aus der Steiermark, die Kinder sind waschechte Wiener. Also da war nix mit Englisch in der Sandkiste und Französisch zum Frühstück. Von Mandarin ganz zu schweigen. Höchstens einmal ein übermütiges „Andiamo“ oder „Dimmi“ im Urlaub an der Adria.

Aber so langsam ändert sich das. Unser Wortschatz erweitert sich. Zuerst flochten die Kinder Harmlosigkeiten wie crazy, great und awesome in ihre Sätze ein – man sieht, die Jugendkultur steht auf Adjektive. Dann kamen erste Abkürzungen dazu, gern per WhatsApp verschickt: bff („best friends forever“) oder Wtf (auf altmodisch-deutsch: „Was zum Henker“). Dissen, das sollte man wissen, wenn man mit Teens verkehrt, bedeutet runtermachen, aber auf eine geistreiche Art. „Du bist ein Arschloch“ ist also streng genommen kein Diss, sondern eine Beleidigung. Dafür ist Bitch einfach nur irgendwas, es hat den Ausruf Oida abgelöst, kombiniert wird es gern mit einer wegwerfenden Handbewegung.


Random. Im Moment sind Hannahs Lieblingsworte random und instant. Letzteres ist eine Art Steigerungsstufe von sofort. Etwa: „Er begann instant zu lachen.“ Random ist etwas komplizierter. Es bezeichnet offenbar Gedanken, die wie zufällig aus dem Gehirn purzeln, weil man zum Beispiel übermüdet ist oder überdreht oder gerade einen Lachflash hat. Random ist gut, weil witzig, weil nicht vorhersehbar. Random ist crazy, aber kreativer.

Wenn ich das richtig verstanden habe. Ich selbst bin in Denglisch blutige Anfängerin, was kein Wunder ist, mir fehlt die Praxis. Die Kinder haben mir nämlich den Gebrauch von Anglizismen, die sie selbst als solche wahrnehmen, verboten. Also darf ich Baby sagen und super und cool. Aber nicht nice oder dissen. Das sei, wurde mir beschieden, nicht altersadäquat. Und was passiert, wenn man nicht altersadäquat mit Anglizismen um sich schmeißt, sieht man an der Anti-Rauch-Initiative des Gesundheitsministeriums, die den Spruch Yolo („You only live once“) im Sinne von Carpe diem verwendet. Obwohl er eher Scheiß auf die Bedenken bedeutet.

In einem Fall habe ich mich aber über ihre Vorgaben hinweggesetzt – und sie sind selbst schuld daran. Hannah hat nämlich unvorsichtigerweise von einem Battle mit ihrem Englischprofessor berichtet, das heißt, eigentlich war es gar kein Battle, es war ein guter, alter aus dem Griechischen stammender Monolog: Hannah hat ihrem Professor lang und breit erklärt, warum es, Vorgaben des Bildungsministeriums hin oder her, vernünftig sei, in die Absätze ihres Aufsatzes noch Unterabsätze einzubauen. Die so knappe wie autoritäre Antwort des Lehrers, wie von Hannah kolportiert: „Don't.“

Damit kürze ich jetzt auch Diskussionen ab.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2015)

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