Am Herd

Unfeministisch

Lena Dunham
Lena DunhamAPA/AFP/VALERIE MACON
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Ist es unfeministisch, wenn Lena Dunham ein paar Kilo abnimmt? Oder wenn Emma Watson in einer Illustrierten Busen zeigt? Über falsche Fragen.

Folgendes ist passiert: Lena Dunham hat abgenommen. Lena Dunham ist die Schöpferin der Serie „Girls“, in der sie auch die Hauptrolle spielt, sie hat sich einige der lustigsten, ehrlichsten, schönsten und befremdlichsten Nackt- und Sexszenen auf den Leib geschrieben, die jemals in einer Serie zu sehen waren, und allein für die Folge der aktuellen Staffel, in der sie, patschert und glücklich, mit einem Surflehrer im Meer herumtollt, gebührt ihr eine Wagenladung Emmys. Sie ist zu Recht eine Ikone des Feminismus. Das heißt, sie war es bis vor Kurzem, denn seit sie abgenommen hat, wittern einige Frauen Verrat. Wie sie sich plötzlich dem Schönheitsideal der Unterhaltungsindustrie beuge, sei unfeministisch. Noch etwas anderes ist passiert: Emma Watson hat Busen gezeigt. Nicht allzu viel, aber doch deutlich, und das war dann auch wieder nicht recht, denn wenn Lena Dunham ihren kleinen Busen und dicken Bauch zeigen darf, heißt das noch lang nicht, dass es Emma Watson erlaubt ist, sich nackt bzw. einachtelnackt zu präsentieren, dafür ist sie zu schön. Der Vorwurf: siehe oben.

Hausfrauen und Karrieremütter. Jetzt könnte ich über die Gründe schreiben, warum Lena Dunham auf Diät ist, aber ich weigere mich. Weil es nämlich wurscht ist. Feminismus ist kein kompliziertes Regelwerk, das wir Frauen auswendig zu lernen haben, damit wir in der Folge irgendwann den Emanzipationstest bestehen und in den Alice-Schwarzer-Himmel kommen. Darum ist auch eine Frage, die mit „Ist es feministisch, wenn“ beginnt, in mindestens 90 Prozent der Fälle falsch gestellt – und zwar immer dann, wenn es nicht um gläserne Decken, fehlende Kinderbetreuung, absurde Schönheitsideale et cetera geht. Sondern darum, wie Frauen mit gläsernen Decken, fehlender Kinderbetreuung, absurden Schönheitsidealen et cetera umgehen. Jede nämlich, so gut es geht.

Feministinnen können nämlich alles Mögliche sein: Hausfrauen und Karrieremütter, CEOs von Chemiefirmen oder Möbelpackerinnen, dick und dünn, groß und klein, mit wuchernden Achselhaaren oder gezupften Augenbrauen, sie können nackt im Gänsehäufel liegen oder im Burkini am Strand von Nizza. Jedenfalls solange sie sich erstens dafür einsetzen, dass Frauen die gleichen Rechte und die gleichen Möglichkeiten haben wie Männer. Und zweitens, solange sie nicht der Meinung sind, alle anderen Frauen sollen genau so leben, lieben und aussehen wie sie selbst. Und ja: Eine Burkini-Trägerin, die sich empört, wenn eine Frau im Schwimmbad nicht oben ohne baden darf, ist eine Feministin. Eine Frau, die auf Twitter über Lena Dunhams Diät herzieht, ist es nicht.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2017)

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