Am Herd

Nur mehr Brösel

Was vom Kuchen übrig bleibt...
Was vom Kuchen übrig bleibt...(c) imago
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In einem Haushalt mit zwei Teenagern ist es ja so: Es ist prinzipiell zu wenig da, so viel Milch, Brot, Kekse oder Orangensaft kann man gar nicht in den dritten Stock schleppen.

Vergangene Woche hatte ich Geburtstag. Keinen runden, aber immerhin, zur Feier gab es Schokoladenkuchen. Gebacken von Marlene. Marlene kann nämlich Kuchen backen, ziemlich gut sogar – und essen kann sie auch, ziemlich viel, wie sich wieder einmal herausstellte, am Abend war nämlich nur mehr ein klitzekleiner Rest davon übrig. Und wenn man bedenkt, dass Hannah gar keinen Schokoladenkuchen mag, mein Mann den ganzen Nachmittag unterwegs war und die Katzen die Kühlschranktür immer noch nicht öffnen können, bleiben nur mehr . . .

Ich war es jedenfalls nicht.

Milch, Brot, Kekse. Jetzt ist das mit der Nahrungsmittelbeschaffung in einem von zwei Teenagern bevölkerten Haushalt wie folgt: Es ist prinzipiell zu wenig da, so viel Milch, Brot, Kekse oder Orangensaft kann man gar nicht in den dritten Stock schleppen. Interessanterweise führt der ständige Mangel nicht dazu, dass die Kinder verhungern, sondern nur dazu, dass nie etwas da ist, wenn ich gerade Lust darauf habe: die scharfen Tacos? Pech gehabt, unter Marlenes Hochbett findet sich ein Lager mit leeren Packungen. Pistazien? Von denen hat Hannah nur mehr die Schalen übrig gelassen. Erdbeeren? Was sind Erdbeeren? War ich eigentlich jemals in meinem Mutterleben schnell genug für Erdbeeren? Und wenn am Morgen Milch für meinen Kaffee da ist, habe ich entweder Glück gehabt oder es ist Tag eins nach dem Großeinkauf.

Die Lage ist für die Erwachsenen im Haus also unzumutbar, wobei mein Mann und ich unterschiedlich leiden: Ich nämlich am Morgen und er am Abend. Dann überfällt ihn regelmäßig und deshalb jedesmal für ihn selbst vollkommen überraschend ein unzähmbarer Hunger nach Süßem. So unzähmbar ist dieser Hunger, dass ihm in den Stunden rund um Mitternacht schlicht alles zuzutrauen ist, und wenn ich „zutrauen“ schreibe und „alles“, dann meine ich das so: Vor Weihnachten hat er Schokolade aus dem Adventskalender der Kinder stibitzt, und ich hab ihn noch verteidigt: „Also ich kenne den Papa, der würde so etwas niemals machen!“

Brösel. Und so komme ich zurück zu den Resten meines Geburtstagskuchens: Die habe ich meinem Mann abgetreten, und er hat sich wirklich gefreut. Als er dann aber kurz vor Mitternacht wirklich hungrig wurde und voller Vorfreude in die Küche ging, fand er dort nur mehr ein paar Schokoladebrösel vor. Das erzählte er am nächsten Morgen beim Frühstück, die Enttäuschung war ihm noch deutlich anzuhören. „Marlene!“, rief ich. „Upsi“, sagte Marlene.

Milch war übrigens auch keine mehr da.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2017)

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