Gegen Kopftuch, Kreuz, Kippa & Co. im öffentlichen Dienst

Langfristig kann nur die Äquidistanz des Staates zu den Religionen den Frieden im Land erhalten.

Dass ich als Naturwissenschaftler zur Debatte über das Kopftuch beitrage, finde ich eigentlich selbst befremdlich. Aber ich bin zutiefst davon überzeugt, dass langfristig nur die Äquidistanz des Staates zu den Religionen – unter gleichzeitiger Gewährleistung von deren Freiheit – den Frieden im Land erhalten kann. Nur so gedeiht jenes liberal-aufgeklärte Klima, in dem sich Wissenschaften und Künste entfalten können. Das war ja auch in der Vergangenheit so. Wo die Religionen friedlich zusammenlebten, blühten Kultur und Geist. Goldrichtig ist deshalb die Ansage von Heinz Fassmann von der Uni Wien, dem Leiter des Integrationsbeirats, über ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst.

Goldrichtig allerdings nur dann, wenn sie als Verbot jeglicher religiöser Insignien gemeint war – also auch von Kreuz und Kippa. Als Staatsbürger will ich nicht mit Beamten, Polizisten, Richtern oder Lehrern jeglicher Art zu tun haben, die mir durch Zurschaustellung ihrer Religion deutlich zu verstehen geben, dass sie einer religiösen Ideologie mehr verpflichtet sein könnten als dem staatstragenden Geist der Aufklärung.

Gleichwertig in ihrem Bedrohungspotenzial sind die erwähnten Insignien natürlich nicht: Das Kopftuch als Symbol eines von Haus aus politischen Islam samt Scharia wird natürlich als bedrohlicher empfunden als die Kippa oder das Kreuz. Man imaginiere etwa die private Kreuzträgerin vor einem Richter mit Kippa oder Kopftuch. Oder umgekehrt. Ungut ist für eine solche Situation ein Hilfsausdruck. Zudem liegt auf der Hand, dass in einem solchen Fall religiöse Voreingenommenheit als Grundlage für eine Urteilsanfechtung dienen könnte – egal, ob zutreffend oder nicht. So sät man mit Garantie Misstrauen zwischen Konfessionen, schafft beste Voraussetzung für den Krieg der Kulturen und Konfessionen auf der Straße.

Es wäre aber nicht Österreich, wäre nicht sofort eine Kakofonie der Instrumentalisierung über Herrn Fassmann hereingebrochen. Missverstanden manche Politiker offenbar die Empfehlung des Verbots religiöser Insignien als Mittel zur Durchsetzung der „christlichen Leitkultur“, so muss man sich auch fragen, warum die Vertreter des Islam und des Judentums derart empört aufschrien. Dass von christlicher Seite eher leise Töne kamen, kann man übrigens ebenfalls missverstehen. Befremdliche Reaktionen, da es ja keineswegs um ein Verbot religiöser Insignien im öffentlichen Raum ging, sondern im öffentlichen Dienst.

Dagegen zu protestieren kann nur bedeuten, dass den Glaubensgemeinschaften die Trennung von Religion und Staat als Grundprinzip unserer Gesellschaft wenig Anliegen ist. Und das sollte alle Alarmglocken schrillen lassen.

Ein Trojanisches Pferd übrigens, wenn Heinz Fassmann als Ausnahme für seine Empfehlung den „bekenntnisorientierten Religionsunterricht“ nannte. Denn der hat in einer aufgeklärten Gesellschaft an Schulen mit Öffentlichkeitsrecht so wenig verloren wie etwa der „bekenntnisorientierte Unterricht des Kommunismus“.

Klar, dass man Eltern nicht verbieten kann, ihre Kinder an konfessionelle Privatschulen zu schicken. Problematisch ist das aber allemal, resultiert aus dem Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer (meist als elitär empfundenen) Subkultur doch nahezu automatisch die arrogante Abgrenzung von den Anderen. Das liegt in der Natur des Menschen – Integration sieht aber anders aus.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2017)

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