Die Wissenschaft im Lande könnte mehr Prölls vertragen

Erwin Pröll sind Weitblick und Wissenschaftsorientierung hoch anzurechnen, zumal dies nicht viele Wähler anspricht.

Ausgelutschte Themen sollte man als Kolumnist meiden. Aber verlockend glänzt das Fettnäpfchen, und – schwuppdiwupp – schon sitzt man drin; ich etwa vor 14 Tagen mitten im Streit um das islamische Kopftuch. Auch diesmal kann ich mich angesichts des Rückzugs von Erwin Pröll nicht zurückhalten, obwohl zum scheidenden Landeshauptmann bereits gefühlt mehr kommentiert wurde als zu allen anderen heimischen Politikern. Viel Positives konnte man lesen, hören und sehen – proportional zum Abstand von St. Pölten aber auch schillernde Ambivalenz und harte Kritik. Die Medienbeiträge strotzen nur so vor Attributen wie Landeskaiser, Hofhaltung, Machtmensch, Volkstribun, jovial, autoritär, paternalistisch, etc. Ja eh, einverstanden, geschenkt!

Meist aber kommt ein mir persönlich wichtiges Alleinstellungsmerkmal von Landeshauptmann Pröll allenfalls in Nebensätzen vor, nämlich sein Einsatz für die Wissenschaft. Wohl auch, weil in Österreich deren Ansehen und die Berichterstattung darüber immer noch viel Luft nach oben haben und weil Journalisten verständlicherweise ungern loben. Was mir egal sein kann.

Niederösterreich steht heute mit einer Fülle an Forschungsstätten einzigartig da. Pröll und seine Landesregierung zogen so ziemlich alles ins Land, was wissenschaftlich Rang und Namen hat. Man erinnere sich an das Geplänkel mit Wien und anderen Interessenten um das Flaggschiff Institute of Science and Technology Austria (Ista), welches 2006 dann in Klosterneuburg landete; nahe an Wien, aber doch in Niederösterreich.

Der Wissenschaftsbericht des Landes bietet eine beeindruckend lange Auflistung von Institutionen aller Orientierungen und Größen, was sich unmittelbar in einer gut laufenden, zunehmend hochtechnologisch orientierten Wirtschaft niederschlägt. Ein Lehrstück dafür, dass Investitionen in die Wissenschaft wirken. Investiert wurde freilich vielfach auf Pump, und man darf fragen, ob so mancher Schrebergarten die gemachten Schulden wert war.

Erwin Pröll sind jedenfalls Weitblick und Wissenschaftsorientierung hoch anzurechnen, gerade, weil das ja nicht allzu viele Wähler anspricht. Es geht dabei nicht nur ums Geld. Nirgendwo in Österreich erfahren Wissenschaftler höhere Wertschätzung. In einer jährlichen Gala in Grafenegg etwa feiert das Land seine Wissenschaftler-Community, im Glanzlicht des Landeshauptmanns. Mit seiner auf jeden Gesprächspartner fokussierten Präsenz kann er immer wieder eindrucksvoll punkten.

Das erlebten wir 2009 selbst im Zuge der Übersiedlung des Wolfsforschungszentrums aus dem oberösterreichischen Grünau ins niederösterreichische Ernstbrunn. Wir wurden von der Gemeinde und ihren Bürgern herzlich und hilfsbereit empfangen. Fast zwei Million Euro investierten wir seitdem gemeinsam mit dem Grundbesitzer in die Infrastruktur unseres der Forschung dienenden Mittelbetriebs. Die Beiträge des Landes nahmen sich zwar im Vergleich zur Anschubfinanzierung durch das Wissenschaftsministerium bescheiden aus. Dennoch fühlten wir uns angenommen und in Niederösterreich angekommen.

Natürlich können Langzeitregentschaften wie jene Erwin Prölls demokratisch bedenklich sein. Dennoch wird er mir aufgrund seiner für österreichische Politiker einzigartigen Einstellung gegenüber der Wissenschaft fehlen.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2017)

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