Mit Federn, Haut und Haar: Seelendoktor Hund

Zu Kumpantieren wird rasch Vertrauen aufgebaut. Aber echt müssen sie sein, nicht aus Stoff.

Hunde als effiziente Therapeuten? Eine neue Studie der Universitäten Rostock und Wien zeigt genau das. Menschen, die anderen grundsätzlich misstrauen, können es schwer haben im Leben. Die Ursache dafür findet sich oft in der frühesten Kindheit. Eltern, die verlässlich auf die Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen, sie trösten, sie nicht in dunklen Zimmern schreien lassen, sie nie zurückweisen, werden Nachkommen mit „sicherem Bindungsmuster“ heranziehen. Glück gehabt, denn die können leicht vertrauensvolle Beziehungen entwickeln.

Ist die frühe Betreuung dagegen unzuverlässig, gar traumatisierend – etwa abwesende oder rasch wechselnde Bezugspersonen, schwere Zurückweisung und Missbrauch –, dann entstehen „unsichere“ und „desorganisierte Bindungsmuster“. Ihre Träger entwickeln kein soziales Grundvertrauen und wenig emotionale Kompetenz und haben es schwer, erfüllte Partnerschaften einzugehen; sie tragen zudem ein hohes Risiko, psychische oder soziale Probleme zu bekommen. Waren in den 1980er-Jahren noch etwa 70 Prozent aller Kinder sicher gebunden, so sind es heute nur noch um die 60 Prozent. Bindungsmuster werden übrigens sozial tradiert. So ist die Chance von Kindern desorganisierter Eltern gering, selbst sichere Bindungen zu entwickeln.

Die Krux an der Sache ist auch, dass diese früh erworbenen Bindungsmuster gewöhnlich auf neue Betreuer und Partner übertragen werden. So fällt es etwa einer desorganisiert gebundenen Person sehr schwer, vertrauensvolle Beziehungen zu neuen Bezugspersonen zu entwickeln. Anders ist es bei Kumpantieren, etwa einem Hund. Es zeigt sich, dass Kinder, zu denen sogar geschulte Betreuer nur langsam Vertrauen aufbauen können, rasch so vertrauensvoll mit einem Hund umgehen wie Kinder mit sicherer Bindung. Es scheint also, dass die Grundregel einer Übertragung der Bindungsmuster von einer Bezugsperson zur nächsten nicht für die Beziehung zu Tieren gilt.


Das bedeutet, dass die basalen biologischen Bindungsmechanismen auch bei Menschen mit Bindungsproblemen noch intakt zu sein scheinen. Aber die überformenden Kontrollzentren im Gehirn haben später gelernt, die soziale Welt anders zu sehen. So zeigte sich in eine Studie von Sonderpädagogen der Universität Rostock in Kooperation mit der Mensch-Tier-Forschungsgruppe der Universität Wien, dass echte Hunde, nicht aber Stoffhunde oder nette Menschen die Stresshormone von unsicher gebundenen Kindern in einer sozialen Stresssituation dämpfen konnten.

Dass Hunde effiziente Ko-Therapeuten sein können, ist nicht neu. Aber erstmals zeigen harte Daten, wie die „Droge Hund“ wirkt. Diese Ergebnisse werden im Rahmen der IAHAIO-Konferenz im Juli 2010 in Stockholm (www.iahaio2010.com/) erstmals vorgestellt. Nun sollen, finanziert vom US-amerikanischen National Institute of Health (NIH), therapeutische Werkzeuge entwickelt werden, um mittels Assistenzeinsatz von Hunden besser und rascher als bisher Kindern mit Bindungsproblemen helfen zu können, wieder vertrauensvolle Beziehungen zu entwickeln.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2010)

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