Familienväter träumen nicht vom Porsche

Henke
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Maximal komfortabler Ausflug in die Welt des Campings im VW California.

Das Klischee will, dass Familienväter vom Porsche träumen, doch die Wahrheit liegt ganz woanders: Familienväter träumen vom VW Multivan, und wenn sie ganz verwegen träumen, sehen sie sich am Steuer eines California, hinter sich die zufriedene Familie, Kinder, die nicht genervt schreien, sondern bewundernd aufschauen zum tapferen Familienoberhaupt, das eine Mischung aus Reiseleiter, Buschauffeur, Zeltaufsteller und schließlich wohl auch noch Grillmeister ist.

Leider ist der California fast so teuer wie ein Porsche und auch als Gebrauchter – wie überhaupt alle Wohnmobile – noch notorisch hochpreisig. Die meisten gehen also dazu über, am besten von irgendeinem Rübenbauern, der keinen Kult-Aufschlag einhebt, einen gut in Schuss befindlichen VW Transporter zu erwerben und ihn in Eigenregie zum Campingbus umzubauen. Das Wichtigste hätte man ja an Bord: Platz.

Tüfteln und Improvisieren

Der Multivan, wie er seit einiger Zeit heißt, ist nicht zu groß und nicht zu klein für den Zweck des temporär Darinwohnens, und auch die Motoren haben einen guten Ruf, weil sie sparsam und kräftig sind und damit auch längeren Etappen den Schrecken nehmen.

Während für viele Campingfreunde das Tüfteln, ständige Improvisieren und eher die bescheidenen Freuden den Reiz dieser Art des Reisens ausmachen, stellt der California fast die Gegenposition dar: Er ist, was herauskommt, wenn sich ein Rudel Ingenieure über die perfekte Campingmaschine den Kopf zerbricht wie über die Drehmomentkurve eines brandneuen Motors. Der Cali ist die effiziente Konzernlösung für den Einsatzzweck Camping. Fast alles ist einem aus der Hand genommen, selbst für Campingtisch und die dazugehörigen Alu-Klappsessel gibt es maßgeschneiderte Nischen für sichere, klapperfreie und platzsparende Unterbringung.

Viele Luxusreisen

Alte Campinghasen mögen da die Nase rümpfen und lauern, wann sich die Cali-Besatzung den ersten Fauxpas gegen die Campingplatz-Etikette leistet. Diese Anfänger sollen lieber im Fünfsternehotel schlafen! Ein mit allen Schikanen ausstaffierter California entert problemlos die 80.000-Euro-Marke, damit lassen sich tatsächlich einige Luxusreisen bestreiten.

Man ist also ein bisschen etwas Besseres, wie man da so im Cali auf dem Campingplatz einreitet, mit Allrad für jeden Untergrund gerüstet, bald das Hochdach elektrisch nach oben fährt und unter der ausgefahrenen Markise im einheitlichen Gestühl das erste Dosenbier aus dem bordeigenen Kühlschrank knackt. Für Leute, denen ein zerlegt in Kartons lauernder Ikea-Kasten schon eine Herausforderung ist, lohnt sich die Investition: Hier ist man beim Wohnen ebenso trittsicher wie beim Autofahren. Alles ist am vermuteten Ort und so logisch zu bedienen wie Blinker und Scheibenwischer. Mit zwei Handgriffen ist im Erdgeschoß aus einer Sitzbank das Bett gerichtet.

Die Vordersitze lassen sich drehen, womit das Auto in den Hintergrund und der Wohnraum zutage tritt. Von vorn geht es durch eine Luke hinauf in den ersten Stock. Das Hochdach wird über eine Steuerung am Dachhimmel kontrolliert, ebenso die Bordspannung und die Temperatur des Kühlschranks. Es gibt ein Extranetz für alle Zusatzverbraucher (und auch einen externen Stromanschluss), wenn das Bier also bis zuletzt gut gekühlt war, wird der Motor dennoch verlässlich anspringen.

Verblüffend, wie gut es sich da oben schläft. Es fühlt sich an, als wäre man im Freien, denn nur Stoffbahnen trennen einen von der Umgebung. Der Lattenrost und die dünnen Matratzen sind eins a, und die aufzippbaren Fenster bergen Moskitonetze, womit einem tiefen Schlaf nichts im Wege steht. Ist es unerträglich heiß, ließe es sich per Bordnetz auch noch klimatisieren oder bei Kälte heizen. Zum Kochen war unser Testexemplar nicht gerüstet, es fehlten ein befüllter Wassertank und die Gasflasche für den Herd mit zwei Kochstellen.

Aufkochen an Bord

Der Kompressorkühlschrank hat eine brauchbare Größe bzw. Tiefe und ist leistungsfähig wie ein Heimgerät. Es steht außer Frage, dass sich hier kulinarisch einiges zuwege bringen ließe, jedenfalls weit mehr als Dosensuppe. Die großen seitlichen Schiebefenster sollten ein wirkungsvoller Dunstabzug sein. An Bord finden sich noch eine Menge Ablagen und Kästchen, sogar ein kleiner Safe für Wertsachen ist dabei, weil man das Auto ja nicht bei jedem Rundgang auf dem Campingplatz absperren möchte. Einzige Steigerung wäre der 170-PS-TDI samt DSG, doch mit 140PS ist man ausreichend gerüstet. Kinder würden sich noch wünschen, dass man während der Fahrt im Hochdach liegen dürfte. Aber das geht leider nicht.

VW CALIFORNIA GENERATION BMT TDI 4MOTION

Maße: L/B/H 4892/1904/1990 mm, Radstand 3000 mm, Leergewicht 2548 kg, Höchstzul. Gesamtgewicht 3080 kg

Ausstattung: Aluminium-Aufstelldach (elektrisch aufstellbar), Abwassertank (ca. 30l), Edelstahlspüle mit Armatur, Küchenschrank als Spüle-/Kocherkombination, Kompressorkühlbox, Kleiderschrank, Tankvolumen 80Liter

Motor: R4-Zylinder-Turbodiesel, 1968 ccm, Leistung 103kW (140PS), Drehmoment 340Nm, Vmax 167km/h, Allradantrieb, Sechsgang-Schaltgetriebe, Testverbrauch 9,0l/100km

Preis: ab 69.563 Euro

Compliance-Hinweis:
Die Reisen zu Produktpräsentationen wurden von den Herstellern unterstützt. Testfahrzeuge wurden kostenfrei zur Verfügung gestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2014)

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