Wohlgenährte Herzogin von der Landstraße

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Motorrad. Der Umbau bei den Bikes geht weiter: Die neue BMW R 1200R wird dem Roadster-Fach mit wesentlich mehr Dynamik besser gerecht. Der Boxermotor ist gegen früher kaum wiederzuerkennen.

Der Bogen zwischen Tradition und Moderne wird schnell einmal von einem Hersteller beschworen – die Verbindung fällt in der Realität oft dann doch nicht so leicht.

BMW beweist auf dem Gebiet allerdings ebenso Feingefühl wie Hartnäckigkeit, und die neue R 1200 R ist ein Beleg dafür. Es ist der Form nach immer noch der gute alte Boxer – aber was für einer!

Erste Fahreindrücke durften wir bei angenehmen 20 Grad in der Gegend rund ums spanische Alicante an der Costa Blanca sammeln, inklusive herrlich griffigen Asphalts und fantastischen Winkelwerks im Hinterland.

Der optische Auftritt der R 1200 R ist puristisch und selbstbewusst. Angesichts der bulligen Front sowie des kurzen, spitzen Hecks erinnert das Design an Streetfighter-Umbauten. Besonderer Blickfang ist der Stahlrohrbrückenrahmen, der die Konzeption des Allrounders unterstreicht; ebenfalls ins Auge stechen die hübsche Einarmschwinge sowie die silbern funkelnde Auspufftröte, deren sonoren Eigenschaften das Biker-Ohr entzücken.

Am Triebwerk freilich hat sich Substanzielles verändert. Neuerdings kommt im Boxermotor aus dem Hause BMW eine zusätzliche Wasserkühlung zum Einsatz. Der Zweizylinder in Zahlen: 125 PS und bullige 125 Nm Drehmoment. Hochdrehen bis 9000 Umdrehungen ist problemlos möglich. Muss aber nicht sein. Die knapp 1200 ccm Hubraum sorgen bereits im niedrigen Drehzahlbereich für gehörig Druck. Mit Schalten ist man auf dem schnittigen Roadster ohnehin nicht sonderlich beschäftigt, da ein gut funktionierender Schaltassistent an Bord ist, der das Kuppeln per linker Hand zur reinen Kür werden lässt. Der Beifahrer übernimmt die Aufgabe sowohl beim Rauf- als auch Runterschalten, was viel Spaß beim Brettern macht.

Mit 231 kg voll getankt ist die bayerische Herzogin der Landstraße als wohlgenährt zu bezeichnen. Bei der Kurvenjagd merkt man dies jedoch kaum. Spielend lässt sich die Maschine durchs Gelände manövrieren, Vertrauen zum fahrbaren Untersatz ist schnell hergestellt. Dies liegt mitunter an dem exzellenten elektronischen Fahrwerk (ESA), das die Dämpfung reguliert. Äußerst kräftig greifen die 320-mm-Doppelscheibenbremsen von Brembo zu und lassen keinen Zweifel an den sportlichen Ambitionen der R 1200 R aufkommen; ABS ist serienmäßig. Die dynamische Traktionskontrolle mit ihren unterschiedlichen Modi rundet das Paket an elektronischen Helferlein ab.

Leider, und dies ist einer der wenigen Minuspunkte, gelangt man nur gegen Aufpreis in den Genuss des Schaltassistenten sowie des elektronischen Fahrwerks, das an der goldenen Gabel erkennbar ist – beharrlich wird die Bildung einer Fangemeinde der zwei Klassen forciert. Zubehör für die R 1200 R ist reichlich erhältlich. Wer die 15.400 Euro teure Basisversion in seinen Privatbesitz nimmt (ab Februar auf dem Markt), darf bereits zum Zweck des zünftigen Aufrüstens sparen. grund

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2014)

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