Elektroautos im Winter: Land am Strome?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Autofahren im Februar in Österreich, das ist Eiskratzen, beschlagene Scheiben und heizen, was das Gebläse hergibt. „Die Presse“ hat ausprobiert, wie die Elektro-Premiums BMW i3 und der E-Golf von VW damit zurechtkommen.

Wien. Wer in Österreich Auto fährt, dem zeigen die Jahreszeiten abwechselnd die Gesichter von Dr.Jekyll und Mr. Hyde. Da war gerade noch Schiebedachwetter und die Leichtmetallfelge blitzte übermütig in der Sonne, da muss man sich schon wieder um das Umstecken auf die Winterreifen kümmern und das Eiskratzerl suchen.

Doch wie ist das eigentlich, wenn man ein Elektroauto im österreichischen Winter fährt? Es schaut ja schick aus, wenn der Gründer irgendeiner Dotcom von seinem Carport mit Schnellladestation in die zwanzig Meilen entfernte Firma im Silicon Valley surrt. Aber funktioniert das auch bei minus fünf Grad im Land der Berge? Wird das Land jemals nennenswert am Strome hängen oder spielt die Witterung da einfach nicht mit? „Die Presse“ hat die beiden Vorzeige-Elektros BMW i3 und den E-Golf von Volkswagen bei winterlichen Fahrverhältnissen getestet.

(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Die Praxis

Steigt man in der Früh ins kalte voll aufgeladene (nicht garagengewärmte) Auto, erlebt man zunächst eine Überraschung. Eine positive. Eine Elektroheizung ist im Gegensatz zu einer Heizung, die auf die warme Abluft eines Verbrennungsmotors angewiesen ist, sofort da. Scheiben defrosten geht in null Komma nix. Da kann man sich sogar das Eiskratzen sparen.

Doch da hat es sich auch schon wieder mit den erfreulichen Überraschungen. Sowohl BMW als auch VW bieten im Normalmodus bei diesen Temperaturen voll aufgeladen nur Reichweiten um die 90 Kilometer. Zu Erinnerung: Im Datenblatt ist von 190 Kilometern die Rede. Dazu gibt es eigentlich auch keine Alternative: Denn der normale Eco-Modus (eingeschränkte Fahrleistung und effizienteres Energiemanagement) bringt kaum zählbare Zusatzkilometer auf den Bordcomputer, erst der Eco-Plus-Modus gibt bis zu 30 Kilometer zusätzliche Reichweite frei. Das bedeutet: keine Heizung (nur die Popschheizung sorgt für Wärme).

Selbst wenn man der guten Elektrosache wegen das Frieren in Kauf nimmt, merkt man schnell: Bei niedrigen Temperaturen beschlagen die Scheiben ohne Heizung. Und vor allem die Füße werden innerhalb kürzester Zeit wirklich kalt. Also muss man mit 90 Kilometern Reichweite vorliebnehmen. Beim vernünftigen und in jeder Hinsicht erwachsenen Golf ist zumindest das realistisch, der wirklich lustige BMW mit seinen 170 PS lässt durch die Lust an Zwischensprints die Batterieladung zusätzlich schmelzen wie den Schneemann in der Sonne.

Die Psychologie

Tatsächlich wird auch die Reichweite von 90 Kilometern leicht ausreichen, um alle Wege im städtischen Nahverkehr zu erledigen. Doch psychologisch ist es kein guter Gedanke, sich zwischen Frieren und ein paar Kilometern zusätzlich entscheiden zu müssen. Das lässt die beiden üppig ausgestatteten Fahrzeuge irgendwie komisch aussehen: Sie können alles (edle Navis, sorgfältige Verarbeitung etc.), nur um das Fahren muss man sich Sorgen machen.

Neben der Reichweite haben die Elektros auch noch mit einem Problem zu kämpfen, das fest im österreichischen Unterbewusstsein verankert ist. Wenn es im Winter wirklich automobile Probleme gibt, dann mit der Batterie. Ein Elektroauto hat aber nur eine Batterie . . .

Das Fazit

Es ist erstaunlich wie ausgereift Elektroautos inzwischen sind. In Fahrspaß, Komfort und Anmutung wirken normale Autos wie aus der Technik-Steinzeit. Im Winter treten aber die noch bestehenden Mankos überdeutlich zu Tage.

Der Elektro-Golf ist in jeder Hinsicht ein vollwertiger Golf. Was auch sein größtes Problem ist: Denn schon für weniger Geld bekommt man einen Golf, der alles kann, was der E-Golf kann, nur ohne Reichweiten- und/oder Heizeinschränkungen.

Der i3 überzeugt mit seiner Fahrdynamik und einem konkurrenzlosen Innenraum (hell, großzügig, stylish), kann aber aufgrund seiner geringen Praxistauglichkeit nur der Gruppe doppeltes Einkommen, keine Kinder, keine Haustiere, keine großen Einkaufstaschen und keine schmutzigen Schuhe mit gutem Gewissen empfohlen werden.

Aber im Sommer schaut die Sache eh wieder ganz anders aus.

FAHRZEUGDATEN

BMW i3.

überzeugt:

– Innenraum

– Fahrspaß

– als E-Auto konzipiert

überzeugt nicht:

– Winterreichweite

– Preis/Leistung

– winziger Kofferraum

Preis: 35.700 Euro, PS: 170, Reichweite: 190 km, Verbrauch: 12,9 kWh/100km.

VW E-Golf.

überzeugt:

– vollwertiges Auto

– Platzangebot

– variable Rekuperation

überzeugt nicht:

– Winterreichweite

– Preis/Leistung

– nicht als E-Auto konzipiert

Preis: 35.930 Euro, PS: 115, Reichweite: 190 km, Verbrauch: 12,7 kWh/100km

Compliance-Hinweis:
Die Reisen zu Produktpräsentationen wurden von den Herstellern unterstützt. Testfahrzeuge wurden kostenfrei zur Verfügung gestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2015)

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