Es war einmal der Magermix

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Ein kleiner Sprung fürs Design, ein großer für die Ausstattung: Der Toyota Avensis setzt bewusst auf Mehrwert in der Mittelklasse.

Dem Toyota Carina II als Vorgänger des Avensis wurde ein kleines filmisches Denkmal gesetzt: Er wird von Rainhard Nowak in „Muttertag“ voll Ergriffenheit über den darin verbauten Magermix-Motor angeschmachtet.

Das Image als des Kamillenteetrinkers erste Wahl beim Autokauf hatte er aber schon vorher weg. 1997 sollte der Avensis das ändern – weiter als zum Traubisoda-Fan ist er in den bisherigen drei Baureihen aber noch nicht vorgestoßen.

Emotionale Linien

Dass Südfrankreich, wo Toyotas Europa-Designcenter seinen Sitz hat, die Zeichner zu keinen emotionaleren Linien befruchtet, als derzeit in den Schauräumen der Marke gezeigt wird, ist bedenklich. Und – wenn wir schon bei der Japan-Fraktion bleiben – umso fataler, als etwa das neue, offensive Design der Mazda-Palette als Kauflust-Stimulans erster Güte funktioniert. Und das ist Designern eingefallen, die in Hiroshima sitzen.

Sanfter Erneuerer

Der soeben massiv erneuerte Avensis will nun aufholen. Um es kurz zu machen: Ein richtiger Pulsbeschleuniger ist er auch nicht geworden. Mit dem schnittigen GT86 glaubt Toyota seine Klientel offenbar schon ausreichend zu fordern – da schien ein sanfter Erneuerer doch unbedenklicher.

Das vorne zugespitzte, kühlergrillbefreite Markengesicht hat nun auch den Avensis ereilt, untermalt von einem massiven Stoßfänger, der seine dicke Unterlippe ein bisschen trotzig vorschiebt. Der Schwung an der Front verliert sich leider an der eher beliebigen Seitenlinie.

Die Baugruppe des Vorgängers wurde mit mehr als 50 Prozent Neuteilen bestückt, womit der Avensis eindeutig jenseits der Grenzlinie eines herkömmlichen Facelifts landet. Eine gute Bodengruppe ist teuer und heute locker für mehr als einen Modellzyklus gut – auch bei Volkswagen, Opel oder Fiat ging in der Vergangenheit nicht jeder Modellwechsel bis in die Knochen.

Gründlich aufgeräumt wurde jedenfalls im Innenraum. Es bleibt zwar bei viel Kunststoff, aber solide verarbeitet und wohltuenderweise ohne den Versuch, ihn auf Premium zu schminken. Der Avensis vertritt den automobilen Mittelstand glaubwürdig und ohne Anbiederung nach oben.

Viel in Serie

Mit serienmäßigen Sicherheitsfeatures wie der kameragestützten Verkehrszeichen-Erkennung, Pre-Collosion-System, Spurhalte-Warner und Fernlicht-Automatik will er außerdem einen wahrnehmbaren Mehrwert gegenüber der Konkurrenz bieten. Angesichts der Renaissance von unerfreulicher Nacktheit in so mancher Grundausstattung – inzwischen oft gesehen bei den europäischen Mitbewerbern – eventuell kein schlechter Weg zu mehr Marktanteilen.

Die hauseigenen Diesel von Toyota sind vorerst Geschichte – die aktuellen Selbstzünder stammen ab sofort von BMW und leisten im Avensis wahlweise 112 oder 143 PS. Über 3000 Umdrehungen werden sie etwas rau, gehen aber mit erfreulich wenig Durst ans Werk.

Ausgejault

Alternativ stehen zwei Benziner mit 132 und 147 PS zur Wahl, Letzterer auch optional mit dem sechsstufig ausgelegten CVT-Automatikgetriebe – nun merkbar verbessert: Das unselige Aufjaulen eines vom Vortrieb entkoppelten Motors gehört der Vergangenheit an; Drehzahl und Beschleunigung haben im Avensis ihren gemeinsamen Takt gefunden.

Das überarbeitete Fahrwerk mit kürzeren Federwegen und besserer Dämpferauslegung bietet sogar oberklassetauglichen Abrollkomfort und bleibt selbst bei übelsten Fahrbahn-Oberflächen geräusch- und rumpelfrei – es hätte sich auch ohne weiteres einen Motor mit ausreichend Punch verdient, der seine Qualitäten auf höherem Niveau fordert.

Der Kombi macht's

Dank niedriger CO2-Werte rechnet sich Toyota auch Chancen im neuerdings dahingehend reglementierten Flottengeschäft aus und hat dazu passend die Servicekosten merkbar gesenkt.

Der Marktstart in Österreich erfolgt im September, über die Preise verhandelt Österreich-Importeur Frey noch. Er rechnet in jedem Fall damit, dass mehr als 80Prozent der Verkäufe der Touring Sports genannte Kombi ausmachen wird. Wir rechnen mit einem Einstieg ab etwa 26.000 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2015)

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