Porsche 911: Der Boxer hat ausgesaugt

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Die aktuelle 911-Generation geht in die Halbzeit. Das ist bei Porsche traditionell der Zeitpunkt, neue Antriebe vorzustellen. Doch diesmal ist es mehr als Routine: Die Saugmotoren sind ausgemustert, für den 911er gilt: Turbo only.

Hockenheim. Die ersten Pressebilder sind gerade veröffentlicht, da briefen uns die Porsche-Ingenieure auf dem Hockenheimring schon zu den wichtigsten Neuheiten der 911er-Modellpflege. Ein paar Runden auf der Rennstrecke absolvieren wir ebenfalls, allerdings noch auf dem Beifahrersitz. Generation 991 II ist noch nicht offiziell präsentiert.

1 Zunächst: Warum stellt Porsche die neuen Antriebe nicht gleich mit der nächsten 911er-Generation vor?

Das wird beim 911er traditionell so gehandhabt, quasi phasenverschoben: Jeweils zur Mitte des Lebenszyklus kommen die neuen Antriebe, die von der Nachfolgegeneration (fällig in vier Jahren) dann übernommen werden (mit lediglich etwas mehr Leistung). Eine Arbeitsteilung aus Zeiten, als Porsche noch ein viel kleinerer Hersteller war und nur beschränkt über Ressourcen und Ingenieure verfügte.

2 Was sind nun die großen News der neuen Motorengeneration?

Der Saugmotor (also frei die Luft ansaugend ohne Aufladung) ist ausgemustert, er wird ersetzt durch Turbomotoren mit einheitlich drei Litern Hubraum. Das bedeutet 20 PS mehr für Carrera (nun 370 PS) und Carrera S (nun 420 PS), vor allem aber 60 Nm mehr Drehmoment (nun 450 respektive 500 Nm).

3 Doch ein signifikanter Umstieg – starker Tobak für die Jünger der 911er-Gemeinde?

Die sogenannten Gusseisernen, die Porsche-Fans vom alten Schlag, mussten schon viel aushalten: den Umstieg von Luft- auf Wasserkühlung, den Einstieg ins SUV-Fach, die Einverleibung der Firma durch Volkswagen. Mit den Turbos sollten aber alle leben können.

4 Geht damit nicht ein spezieller Charakterzug des Boxers verloren?

Auch mit Turbo sollen die Motoren drehen und klingen wie Sauger. Nach ein paar Runden würden wir konstatieren: Das ist gut gelungen. Die Motoren drehen bis 7500 Touren, und zwar gewohnt lustvoll. Der Schub kommt progressiv, also nicht mit einem einzigen gewaltigen Schwall wie beim Topmodell 911 Turbo.

Am Sound haben die Akustiker viel getüftelt, denn Turbos wirken wie Schalldämpfer. Spätestens im Sportmodus passt der Krawall, mit zünftigem Backfire und allem...

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5 Und das gefürchtete Turbo-Loch, die Verzögerung im Ansprechen?

Der Turbo-Boxer soll ebenso spontan ansprechen wie als Sauger. Im Sportmodus etwa wird beim Gaswegnehmen der Ladedruck gehalten und nicht abgeblasen.

6 Wozu eigentlich das Manöver? Für bessere Normwerte?

Auch Porsche muss CO2-Emissionen reduzieren. Die neuen Motoren sparen laut NEFZ-Norm nun 14 Prozent ein. Porsche betont, dass dies aber auch kundennah sei: Das höhere, früh anstehende Drehmoment durch die Aufladung führt im Alltag zwangsläufig zu einer Fahrweise mit weniger Drehzahl. Und dort holt man nun einmal die Spritersparnis.

7 Was bedeutet das für die Nomenklatur? Ist der Turbo nun obsolet?

Daran ändert sich nichts, der Turbo bleibt das Topmodell. Er hat auch einen anderen Motor und VTG-Lader – die neuen Turbos haben statt variabler Laderschaufeln (VTG) ein Waste-Gate (man kann das Abblasen hören) und eine ausgeklügelte Ventilsteuerung, unter anderem mit variablen Steuerzeiten auch der Auslassventile.

Der S hat zum normalen Carrera mehr Ladedruck (1,0 statt 0,9 bar), eine andere Steuerelektronik und eine spezielle Abgasanlage.

8 Was ändert sich beim Gewicht? Turbo wiegt ja mehr...

Korrekt, es gibt mehr Bauteile, es muss mehr gekühlt werden. Der Motor wiegt 20 kg mehr, das ganze Auto insgesamt 35 kg mehr – erstaunlich wenig, ein Kraftakt der Ingenieure. Porsche sieht für den S eine um acht Sekunden schnellere Rundenzeit auf der Nordschleife!

9 Woran erkennt man die neuen Modell äußerlich?

An den nun waagrecht laufenden Lamellen der berühmten Hutze am Heck. Über diese wird die Luft für die zwei seitlich liegenden Ladeluftkühler gezogen. Für die Abluft gibt es zwei Öffnungen in der Heckschürze. Sonst: mehr Kühlfläche an der Front, neue Heckleuchten.

10 Billiger ist der 911er vermutlich nicht geworden.

Carrera Coupé: ab 115.252 Euro (S ab 132.990 Euro). Zu den neuen Extras zählen Hinterachslenkung (nur S) und Fahrwerkslift für 40 mm mehr Platz unter der Buglippe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2015)

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