Automesse Detroit: Zwischen Raubvogel und Elektroauto

Eines der Highlights in Detroit: der neue Ford Raptor. Die Pick-ups der F-Serie sind die meistverkauften Autos in den USA.
Eines der Highlights in Detroit: der neue Ford Raptor. Die Pick-ups der F-Serie sind die meistverkauften Autos in den USA.(c) REUTERS (MARK BLINCH)
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2015 war für die US-Autoindustrie das beste Jahr seit mehr als einer Dekade. Damit das so bleibt, setzt man wieder auf große Modelle. Für VW gibt es neue Probleme.

Detroit/Wien. Ein perfekter Sturm ist der Albtraum jedes Seemanns: Wenn sich mehrere Stürme zu einem großen, gigantischen Sturm vereinen, ist jedes Schiff in Gefahr. Für die US-Autoindustrie braut sich 2016 zu einem perfekten Sturm zusammen – allerdings zu einem positiven: Der Ölpreis ist im Keller, die Menschen kaufen also wieder die riesigen Benzinfresser, an denen man so gut verdient; die Wirtschaft in den USA zieht an; die Konkurrenz aus Übersee, die mit ihren Dieselmotoren das Land aufmischen wollte, liegt auf dem Boden.

Die Chefs von General Motors (GM), Ford und Chrysler werden bei der aktuellen Autoshow in Detroit (US-Bundesstaat Michigan) zweifellos die eine oder andere Dose Budweiser aufgemacht haben. Nach Jahren der Krise brummt der Automarkt wieder wie zuletzt vor 15 Jahren: Damals, im Jahr 2000, wurden 17,35 Millionen Autos in den USA verkauft. 2015 waren es 17,5 Millionen (eine andere Statistik nennt gar 17,8 Mio.). Und in der Hitliste führen die US-Autobauer.

Kein Wunder also, dass in Detroit heuer wieder das Motto „größer, schwerer, stärker“ gilt. Ford zeigt beispielsweise den überarbeiteten Pick-up Raptor (Raubvogel) mit einem 3,5-Liter-V6-Motor mit 500 PS. Dass man den Motor „Ecoboost“ nennt, ist nur im Vergleich zum Vorgängermodell statthaft: Dessen V8-Motor hatte einen Hubraum von 6,2 Litern.

Chevy mit Elektroauto

Solche Autos gefallen den Amerikanern. Allein von seinen Pick-ups hat Ford im vergangenen Jahr mehr als doppelt so viele Stück verkauft, wie Volkswagen insgesamt Autos in den USA abgesetzt hat (780.354 gegen 349.440).
Natürlich sieht man in Detroit auch viele Elektro- und Hybridautos. Chevrolet bringt etwa den Bolt auf den Markt. Das Elektroauto hat eine Reichweite von 320 Kilometern und kostet 30.000 Dollar. Doch der Volt hat ebenso wie die Hybrid-Modelle vor allem die Aufgabe, den Flottenverbrauch zu senken. Die US-Regierung hat strenge Verbrauchszahlen vorgegeben. Um die erfüllen und weiterhin die großen Benzinmodelle anbieten zu können, zu denen die amerikanischen Käufer am liebsten greifen, benötigen die Hersteller entsprechend viele verbrauchsarme Modelle.

Die Zukunft des Autofahrens zeigt Mercedes mit der nächsten Generation der E-Klasse. Das Auto kann nicht nur automatisch den Abstand zum Vordermann und die Spur halten (auch ohne Fahrbahnmarkierungen), sondern wechselt auch selbstständig den Fahrstreifen oder bremst bei einem drohenden Unfall. Mercedes sprach von der „intelligentesten Limousine“.

Die neue E-Klasse gibt es bei der Vienna Autoshow (14. bis 17. Jänner, Messe Wien) zwar noch nicht zu sehen, ein paar Neuigkeiten werden die 42 Autohersteller aber präsentieren (etwa die Alfa Romeo Giulia Quadrifoglio oder den Audi Q7 e-tron). Massiv auftreten wird Volkswagen: Auf 5500 Quadratmetern wird jedes Auto gezeigt, das man im Angebot hat (und die Abgasvorschriften erfüllt).
VW hat gute PR dringend nötig. Vor allem seit gestern wieder, nachdem Konzernchef Matthias Müller in den USA ein peinliches Interview gab. Seine öffentliche Entschuldigung auf der Automesse war allgemein gelobt worden. Mea-Culpa-Bekenntnisse mit dem Versprechen der Besserung mögen die US-Amerikaner. Leider relativierte Müller ein paar Stunden später schon wieder.

Behörde lehnt VW-Plan ab

Bei einem Gespräch mit einer Radioreporterin von NPR sprach der VW-Chef von einem „technischen Problem“ und einer Fehlinterpretation des US-Rechts. Seine Presseberater verstanden die Folgen dieser Relativierung und ersuchten NPR, das Gespräch noch einmal zu führen. Das tat man auch – aber mit Hinweis auf das ursprüngliche Interview. Müller entschuldigte sich und sprach von einer schwierigen Interviewsituation.
Schwierig ist auch die Lösung des Skandals in den USA. Die kalifornische Umweltbehörde hat gestern den eingereichten Rückrufplan für die von der Abgasaffäre betroffene Dieselautos abgelehnt. Die Pläne seien unzureichend, meinte auch die EPA. Volkswagen muss jetzt nachbessern. (rie/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2016)

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