Kia Niro: Der Gegen-Prius, der gar nicht öko aussieht

Äußerlich weist nichts auf den Hybridantrieb des Kia Niro hin – und das ist gewollt so. Der Cross-over bietet Platz für fünf Personen, einen 421 Liter großen Kofferraum und spritzige 141 PS Systemleistung.
Äußerlich weist nichts auf den Hybridantrieb des Kia Niro hin – und das ist gewollt so. Der Cross-over bietet Platz für fünf Personen, einen 421 Liter großen Kofferraum und spritzige 141 PS Systemleistung.(c) Werk
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Der Kia Niro gilt als erster echter „Prius-Fighter“. Doch im Visier hat man nicht nur den hybriden Toyota – der Angriff gilt auch Konkurrenten, die zu lang auf den in die Kritik geratenen Dieselmotor gesetzt haben.

Frankfurt. Die Enthüllung der zwei neuen Modelle in Kias Frankfurter Europazentrale gleicht einem Festakt. Die Marke sieht sich denn auch in Feierlaune, die vergangenen sieben Jahre waren etwas, was mit gut 60 Prozent Steigerung der europäischen Marktanteile einem Eroberungsfeldzug nahekommt.

In diesem Jahr will Kia, als kleinerer Spross des südkoreanischen Hyundai-Konzerns, die Nummer fünf der Welt, schon 420.000 Autos in Europa verkaufen.

Dabei sollen die beiden Neuen kräftig mithelfen. Zum einen ist das die sehnlichst erwartete Kombi-Variante der Mittelklasselimousine Optima. Ohne Kombi ist in dem Segment bei uns wenig auszurichten, als solcher sollte der propere, bislang aber glücklose Optima nun zu seiner Chance kommen.

Zum andern ruhen große Hoffnungen auf einem Auto, das äußerlich kein bisschen ungewöhnlich aussieht: ein Cross-over (oder Kompakt-SUV) von etwas über 4,3 Metern Länge, in dieser Form die derzeit beliebteste Fahrzeugklasse auf dem europäischen Markt.

Der Kia Niro ist allerdings ein Hybridauto, das ein ähnliches technisches Prinzip verfolgt wie der Toyota Prius. Außer von der japanischen Marke, der Nummer eins der Welt, sind Autos dieser Art hauptsächlich als Verlegenheitslösungen unterwegs – sie erzielen auch zusammengerechnet kaum ernsthafte Marktanteile.

Eigene Akku-Produktion

Mit dem Niro könnte sich das grundlegend ändern. Die Koreaner (auch Hyundai startet mit einem technisch fast baugleichen Modell) scheinen die Ersten zu sein, die Toyota auf dem Gebiet wirklich herausfordern. Alle Komponenten des hybriden Antriebsstrangs sind im Haus entwickelt worden, die Akkus etwa werden in eigenen Werken in Korea gebaut.

Das ist ein Unterschied zu Anbietern, die Teile nur zukaufen, und die mit ihrem Hybridangebot, selbst wenn die Nachfrage unerwartet hoch wäre, niemals wirklich Geld verdienen könnten.

Der Niro ist dagegen als Massenauto mit gesunder Marge konzipiert. Er wird, obwohl um über 20 PS kräftiger als der Prius, weniger kosten als dieser. Die Preise stehen noch nicht fest, doch ist mit rund 25.000 Euro in Österreich zu rechnen. Bald wird eine Plug-in-Variante nachfolgen.

Doch selbst wenn er schon als „Prius-Fighter“ tituliert wird, so wendet sich der Niro einer anderen Klientel zu. Prius-Fahrer gelten als eingeschworene Gemeinde, die sich schon aus weltanschaulichen Gründen zu manch polarisierendem Spleen ihres geliebten Autos bekennt – dazu zählen das kompromisslos auf Aerodynamik gemünzte progressive Styling oder die „singenden“ Drehzahlen durch das stufenlose CVT-Getriebe.

Derlei Zugeständnisse sind beim Niro, dem man den alternativen Antrieb weder von außen noch im Innenraum ansieht, nicht vonnöten. Er hat ein Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe, und als weiteren Appeal das derzeit so gefragte höhere Sitzen, das sich nun erstmals in der Klasse mit ökologischen Ansprüchen verbinden lässt.

Und selbst wenn es nicht um die Umwelt geht, so ist ein geringer Spritverbrauch allemal ein Argument. Die finalen Typenzulassungen und damit der offizielle Verbrauchswert stehen noch aus, aber Kia hat einen CO2-Ausstoß von 89 Gramm als Ziel für den Niro genannt. Der Wert entspricht 3,8 Liter Benzin auf 100 km. Das ist mehr, als beim neuen Prius laut Norm ausgerufen ist (3,1 l/100 km), aber definitiv weniger, als mit konventionellen Antrieben realisierbar ist.

Damit ist der Niro auch ein Angriff auf den Dieselmotor in Europa. Die Tage des großen Dieselbooms scheinen ohnehin gezählt, zumal sich gerade in den kleineren Fahrzeugklassen die künftig immer aufwendigere Abgasreinigung nur schlecht unterbringen lässt – preislich und platzmäßig.

Zwar hat die Industrie in den ab 2017 gültigen RDE-Zyklus noch großzügige Überschreitungen der Grenzwerte für den Stickoxidausstoß in den Abgasen reklamiert, doch vom sauberen Diesel wird dann wohl niemand mehr reden wollen. Die Hybridtechnologie etabliert sich einstweilen in Asien.

Die Verfechter des Diesels haben ihre schwersten Stunden noch vor sich. Mit einem sauberen Gegen-Prius in der derzeit beliebtesten Fahrzeugklasse sind die Koreaner für diese Entwicklung bestens gewappnet. Anders, muss man sagen, als die europäische Autoindustrie. Vorsichtige Prognosen sehen bis 2020 ein jährliches Volumen von 700.000 Hybrid-Pkw in Europa. Die Weichen, wer diesen Zukunftsmarkt bedient, scheinen gestellt.

KIA NIRO

Fünfsitziger Hybrid-Cross-over, der als direkter Konkurrent des Toyota Prius und konventioneller Subkompakt-SUVs wie Nissan Juke und Opel Mokka positioniert ist. Marktstart in Österreich ist August. Die Preise sind noch offen.

Maße. L/B/H: 4355/1800/1535 mm. Radstand: 2700 mm. Ladevol.: 421 Liter.

Antrieb. 1,6-Liter-Benziner-Vierzylinder mit max. 105 PS, Elektromotor mit max. 32 kW (44 PS), Batteriekapazität: 1,56 kWh. Systemleistung: 104 kW (141 PS). Frontantrieb. CO2-Emission: 89 g/km.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2016)

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