Ford Edge: Mit dem Cowboyhut in die U-Bahn

 Aus der Weite der USA – eigentlich Kanadas – zu den gerade so SUV-begeisterten Europäern: Ford Edge.
Aus der Weite der USA – eigentlich Kanadas – zu den gerade so SUV-begeisterten Europäern: Ford Edge.(c) Werk
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Mit dem Edge will uns Ford den American Way of Drive näherbringen – das (für unsere Verhältnisse) mächtige SUV hat alle Zutaten, die derzeit gerade so gefragt sind.

Auch inmitten eines gewaltigen SUV-Booms ähnelt der europäische Automarkt nicht – oder noch nicht – dem US-amerikanischen.

In Europa führt gewohnheitsmäßig der VW Golf mit solidem Abstand zum Zweiten (im Vorjahr der Kleinwagen Ford Fiesta) die Charts an. In Amerika steht ebenso traditionell ein Truck-Triumvirat an der Spitze, allen voran der F-150 von Ford, ein gewaltiger Pick-up. Der Größenunterschied könnte also größer nicht sein.

Doch eine gewisse Amerikanisierung des europäischen Automarkts ist mit den hohen SUV-Zuwachsraten zweifellos im Gange, und gerade Ford würde daran gern teilhaben – eindeutig mehr als bislang mit EcoSport und Kuga. Gleich fünf neue SUV- und Crossover-Modelle kündigt Ford für die nächsten fünf Jahre an.

Aus dem Van entwickelt

Nach oben rundet fürs Erste der neue Edge die Palette ab. Wer gelegentlich in den USA unterwegs ist: Ja, von dem gab es schon eine Generation, nicht aber für Europa. Auch stammt der nun präsentierte Edge technisch aus einer ganz anderen Ecke. Er wurde zusammen mit den Family/Business-Vans S-Max und Galaxy entwickelt, ist also sozusagen das SUV-Derivat eines Vans. Damit lässt sich auch die Bestückung mit Komponenten, etwa von Komfort-, Sicherheits- und Assistenzsystemen, unkompliziert übernehmen – ein Vorteil in der Produktion des Edge, der übrigens aus Kanada zu uns kommt.

Irgendwie amerikanisch, das war auch unser allererster Sinneseindruck, als wir die ersten Kilometer im Edge zurückgelegt hatten.

Zunächst im positiven Sinn. Am Steuer einer veritablen Trutzburg, wie es das 4,8 Meter lange SUV darstellt, fühlt man sich auf dem Highway, und seien es im konkreten Fall deutsche Landstraßen, nicht unwohl. Man hat Übersicht und fühlt sich von der schieren Menge an Auto gut behütet.

Zudem kommt schnell ein Gefühl amerikanischer Lässigkeit auf, denn die Sitze sind wohltuend weich gepolstert, ganz im Gegensatz zur zuweilen übertriebenen Straffheit mit pseudosportlichem Anspruch der deutschen Premium-SUV-Konkurrenz. Im Edge kann man behaglich lümmeln, schalten muss man sowieso nicht, da es nur Automatikgetriebe gibt – eine klassische Wandlerautomatik für den schwächeren, ein Doppelkupplungsgetriebe für den stärkeren der beiden angebotenen Motoren, jeweils mit sechs Gängen.

Ins Lenkrad gegriffen

Die Gemütlichkeit stört etwas der unausgefeilte Spurhalteassistent, der einem immer wieder ins Lenkrad greift, wo derlei überhaupt nicht gefragt ist, der aber auch nicht selbstständig die Spur halten kann. Ebenfalls keinen Beitrag zum Wohlfühlen liefert das Sync2-Bordsystem, das man tunlichst nicht während der Fahrt bedient. Die Navi-Eingabe verläuft quälend langsam, und das zielgenaue Tippen auf den Schirm lässt sicheres Lenken einfach nicht zu (oder umgekehrt). Amerikanische Kunden bekommen ihren 2016er-Edge schon mit Sync3, das ist die schnellere Variante. Unfair!

Bei den Motoren ist man bei uns vor die Wahl gestellt: Diesel oder Diesel. Zwar werden Autos in der Gewichtsklasse des Edge (schon in Grundausstattung kratzt er an den zwei Tonnen) bei uns automatisch mit Diesel genommen. Doch ist es unrühmlich, dass Ford mit der Umrüstung der Triebwerke auf SCR-Abgasreinigung so spät dran ist und hier nur einen 2,0-Liter-TDCi feilbietet (mit 180 und 210 PS), der nach dem alten Schema arbeitet – sauber hauptsächlich im realitätsfernen Prüfzyklus.

Naturgemäß – und das gilt nicht nur für den Edge – ist es mit der Übersichtlichkeit im urbanen Geläuf schnell vorbei. Ohne die Kameras, die für den Fahrer das Umfeld sondieren, wäre man beim Rangieren schön aufgeschmissen. Auch verbietet der stattliche Wendekreis von zwölf Metern (mehr als ein Audi Q7) geschwinde Manöver. So fühlt sich der Edge am Ende des Tages an, als hätte man sich mit Cowboyhut in die voll besetzte U-Bahn verirrt. Preis/Leistung – mit 180 PS, Allrad, Automatik und guter Grundausstattung – sind jedoch attraktiv, und die prägnanten SUV-Attribute wirken zurzeit ohnehin unwiderstehlich.

FORD EDGE

Maße: L/B/H 4808/1981/1692 mm. Radstand: 2849 mm.

Leergewicht: 1913–1949 kg.

Kofferraumvolumen: 602–1847 Liter.

Motoren/Preise:

2,0 TDCi (180 PS/400 Nm, AWD, manuelles Getriebe) ab 45.400 Euro.

2,0 TDCi (210 PS/450 Nm, AWD, Doppelkupplungs-Automatik) ab 54.300 Euro. Co2-Emissionen: jeweils 149 g/km laut Norm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2016)

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