Ein Achttausender namens Monte Ferrari

Ein Supercar, das vier Personen Luxus, Allradantrieb, reichlich Platz und dazu noch schwindelerregende Performance bietet: Ferrari GTC4 Lusso.
Ein Supercar, das vier Personen Luxus, Allradantrieb, reichlich Platz und dazu noch schwindelerregende Performance bietet: Ferrari GTC4 Lusso. (c) Giuseppe Barzoni
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Der Ferrari FF ist Geschichte: Die finanziell beschleunigte Familie reist dieser Tage im GTC4 Lusso zum Skifahren an – mit Allradantrieb, Platz für Gepäck und 690-PS-Zwölfzylinder.

Bruneck. Das Eingeständnis gleich vorweg: Wir waren mit dem Ferrari GTC4 Lusso am richtigen Ort, aber zur falschen Zeit.

Den Südtiroler Dolomitenpässen mangelt es nicht an aufregenden Kurven jeden Zuschnitts – allein die erforderliche Einsamkeit, ein schnelles Auto durch sie zu jagen, blieb uns vorenthalten.

Tatsächlich sind die Bergstraßen an einem schönen Julitag zur Begegnungszone erklärt – sie gehören den Renn- und sonstigen Rädern, Zehntausenden von ihnen. Bergauf, dem Rasthaus entgegen, taumelt manch einer benommen aus der Spur, bergab werden furchtlos Kurven zur Geraden gemacht, als ging es um den Gesamtsieg beim Giro.

Dazwischen mischen sich die motorisierten Biker, die sich auch keineswegs um den Gipfelsieg bringen lassen wollen, und Wohnmobile, in denen offenbar Süppchen auf dem Herd köcheln. Kurzum: Im 690-PS-Ferrari klinkt man sich am besten wieder aus dem voreilig aktivierten Sportmodus, lässt das Getriebe hochschalten und die Drehzahl absinken und staunt fortan als stiller Beobachter über den Trubel vor, hinter und neben einem. Und seufzt ein wenig.

Auf zum Achttausender

Dass sich dann doch für eine kurze Etappe die Gelegenheit bot, einen Achttausender zu erklimmen, nämlich auf dem Tourenzähler, machte die Sache nicht weniger schmerzvoll. Denn im GTC4 offenbart sich die aktuell aufregendste Kombination aus Viersitzer und Sportwagen reinsten Wassers.

Dass man gemütlich dahinströmen kann, ohne unter einem harten Fahrwerk zu leiden und dass auch Erwachsene auf den Plätzen drei und vier – jenen im Fond – bequem und unbeengt reisen können: gekauft. Aber welches Tier zum Vorschein kommt, wenn man auf dem Manettino den Zeiger auf Sport stellt und mit Nachdruck an den Pedalen verfährt, das erwies sich doch als verblüffende Vorstellung. Zumal mit Allradantrieb, der den GTC4 zum Ferrari für alle Lebenslagen empfiehlt – gegebenenfalls auch für 335 km/h Spitze und den Sprint von null auf 100 in 3,4 Sekunden.

Die stolzen Ingenieure aus Maranello berichten zudem, dass sich mit dem fast fünf Meter langen Auto, das fahrfertig 1920 kg wiegt, auf der Rundstrecke in Fiorano Zeiten realisieren lassen, die vor weniger als zehn Jahren der 430 Scuderia im Asphalt verewigt hat – ein rennwagenähnlicher V8-Mittelmotor-Zweisitzer mit 510 PS. So gehen die Uhren im Hause Ferrari. Dabei ist der 330.000 Euro teure GTC4 Lusso keine Neuentwicklung, sondern eine Evolution des 2011 vorgestellten FF (für Ferrari Four), mit dem der Allradantrieb bei Ferrari eingezogen ist. Die Gralshüter zittern seitdem vor dem SUV.

Einstweilen ist freilich keine Aufweichung der Markenwerte zu erkennen. Gegenüber dem FF hat der GTC4 deutlich an Statur gewonnen, denn die Heckpartie ist ungleich stimmiger und muskulöser ausgeformt, eine interessante Analogie zum erfrischten Porsche Panamera. Optisches Highlight des GTC4-Hecks sind die stark plastisch ausgeformten Rundleuchten, dahinter entfaltet sich ein Gepäckabteil mit 450 Litern Stauraum, das sich durch Umlegen der Rücksitze auf Ikea-taugliche 800 Liter erhöhen lässt. Erstmals bekommt auch der Mensch auf dem Beifahrersitz sein eigenes Entertainment: in Form eines Displays am Armaturenträger, über das man durch Navi, Soundsystem und Performance-Einstellungen des Autos surfen kann (ohne Letztere verändern zu können, auch wenn man wollte).

Anders als beim FF ist im GTC4 der Allradantrieb mit Hinterradlenlung kombiniert. Das ganze Paket ist nur halb so schwer wie übliche 4WD-Systeme und erlaubt eine Gewichtsverteilung von 53 Prozent auf der Hinterachse, was in einem sagenhaften Einlenkverhalten resultiert, bei dem Untersteuern nicht ansatzweise auftritt. Die mitlenkende Hinterachse glättet allfällige Lastwechselreaktionen, womit auch bei scharf gefahrenen Passagen Lenkkorrekturen am Kurvenausgang nicht notwendig sind.

Größte Attraktion ist aber wohl der V12, der tief unten und weit nach hinten versetzt unter der Motorhaube residiert. Mit seinen 6,3 Litern Hubraum treibt er auch das Hypercar La Ferrari an – als einer der Letzten seiner Art ohne Turbo. Mit Kolben wie aus einem Rennmotor wurde die Kompression angehoben und wurden 30 PS mehr Leistung geerntet. Auf Kundenwunsch bellt er beim Kaltstart etwas leiser, man will ja nicht mehr so auffallen. Ab 3000 Touren fällt die Zurückhaltung – was dann einsetzt, ist der Soundtrack der Rennstrecke, der durch Gassen und Täler tönt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2016)

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