Trutzburg gegen eine laute Welt

Neuvorstellung. Unverändert mit „six three quarter“: Bentleys Flaggschiff Mulsanne.

In einen Bentley steigt man nicht ein – man betritt ihn und nimmt Platz. Es gibt schließlich reichlich davon. Und wenn die Tür dann schwer wie ein Tresor ins Schloss fällt, herrscht einmal Ruhe. Die laute Welt verwandelt sich in einen Stummfilm. Es riecht nach Leder, die Maserung der einzelnen Teile der Wurzelholzverkleidung ist penibel aufeinander abgestimmt.

Ein Mulsanne rollt auch nicht von irgendeinem Fließband, er wird in 400 Stunden Handarbeit von den „besten Handwerkern Englands“ zusammengebaut. So werden auch Sonderwünsche der zahlungskräftigen Klientel gern umgesetzt. Das Familienwappen in die Ledersitze gestickt? Ein persönlicher Schriftzug in der Holzverkleidung? Alles kein Problem.

Seit 2009 wird der aktuelle Mulsanne in seiner jetzigen Form gebaut, für das Modelljahr 2017 hat man dem Luxusliner eine zarte Modellpflege angedeihen lassen. Optisch halten sich die Änderungen in Grenzen, ein noch breiterer Kühlergrill, etwas versetzte Frontscheinwerfer, Lufteinlässe und Heckleuten zitieren das „B“ des Firmenlogos, vor allem die Kundschaft in Fernost mag solche Erkennungszeichen.

Die größeren Änderungen gibt es an der Technik. Ein neues Infotainment-System mit 2200 Watt Musikleistung etwa, in den Sitzlehnen versenkte Tablets mit Internetzugang oder neue Frontscheinwerfer mit adaptiver Ausleuchtung. Motorseitig setzt man weiter auf den legendären „six three quarter“, einen V8 mit 6,75 Litern Hubraum und Doppelturbo, dessen Konzept aus dem Jahr 1959 stammt.

In Details stetig verbessert hielt man aber an wesentlichen Merkmalen der Konstruktion wie der Zweiventiltechnik fest. Nur so, erklärt Firmenchef Dürnheimer, ist die souveräne Kraftentfaltung zu erreichen, die Bentleys nun einmal zu eigen ist. An Leistung mangelt es jedenfalls nicht, mit 512 PS (schon bei 4000 U/min) und 1020 Nm wird selbst ein 2,7-Tonnen-Kaliber wie der Mulsanne zum Spielball der Kräfte, auf Wunsch bis zu 300 km/h schnell.

Tatsächlich beeindruckend ist die Gelassenheit, mit der sich das Fünfeinhalbmeter-Schlachtschiff scheinbar der Massenträgheit entzieht, beschleunigt, bremst und sich mit Verve in Kurven stürzt.

Dabei bleibt das einzige Betriebsgeräusch das Grummeln des Achtzylinders, dem die Achtgangautomatik selten mehr als 2000 U/min zugesteht. Speziell ausgeschäumte Reifen, aktive Motorlager und hydraulisch gedämpfte Aufhängungspunkte halten Vibrationen und damit Lärm vom Innenraum fern, das lauteste Geräusch bei unserer Testfahrt auf der deutschen Autobahn bei 200 km/h war das Kratzen des Scheibenwischers über die trockene Scheibe.

Gut die Hälfte der Kunden greift laut Bentley selbst ins Steuer, für die andere Hälfte ist die Ausführung Extended Wheelbase die bessere Option. Mit 25 cm mehr Radstand, der den Rücksitzen zugutekommt, verfügt der EWB zusätzlich über ausklappbare Fußstützen an den Rücksitzen. (joh)

BENTLEY MULSANNE

Maße. L/B/H: 5575/2208/1926 mm. Radstand: 3266 mm. Leergewicht: 2685 kg. Kofferraumvolumen: 443 Liter.

Motor. V8-Zylinder Otto, Biturbo, 6752 cm3. Max. Leistung: 377 kW (512 PS) bei 4000 U/min. Max. Drehmoment: 1020 Nm bei 1750 U/min. Vmax: 296 km/h. 0-100 km/h in 5,1 sec.

Verbrauch nach NEFZ: 13,0 l/100 km.

Hinterradantrieb, Achtgangautomatik.

Preis. Ab 387.000 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2016)

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