Fahren werden wir, aber wie?

Chauffiert werden wie ein Vorstand: VW Sedric, VW-Boss Matthias Müller.
Chauffiert werden wie ein Vorstand: VW Sedric, VW-Boss Matthias Müller.(c) REUTERS (ARND WIEGMANN)
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Beim traditionsreichen Genfer Autosalon wurde schon oft die Zukunft proklamiert – fast gewohnheitsmäßig. Nicht alle Konzepte und Visionen werden aber eine finden. Weiter geht es einstweilen mit SUVs.

Genf. Aus Gründen, die sich nicht so bündig darstellen lassen, ist aus dem Schweizer Automobilbau keine nachhaltige Erfolgsstory geworden – ein Schicksal, das wir mit unserem Nachbarland teilen, auch wenn Österreich durch hochkarätige Zulieferer, Auftragsfertiger (Magna Steyr in Graz) und Motorenwerke (Steyr/OÖ, Wien-Aspern) doch auf eine wesentlich gehaltvollere Autobilanz kommt.

An eidgenössischen Versuchen, eine Autonation zu werden, hat es nicht gemangelt. Speziell in der Pionierzeit um 1900 poppten kleine, hoffnungsfrohe Hersteller in den Gewerberegistern nur so auf. Doch von Ajax (Zürich) bis Yaxa (Genf) hielten sich die wenigsten bis zum Ersten Weltkrieg.

In dieser Zeit wurde der Genfer Autosalon gegründet, der 1905 erstmals seine Pforten öffnete (um kurz darauf, 1907, nach Zürich auszuweichen, weil in Genf eine „automobilfeindliche Stimmung“ geherrscht hat – vielleicht besteht ja hier ein Zusammenhang).

Für die Zurschaustellung neuer Gerätschaft wird der sozusagen neutrale Boden unverändert gern herangezogen, traditionell eröffnet Genf das europäische Autojahr. Tradition haben auch lieb gewonnene Schrulligkeiten wie der unverdrossene Auftritt von Exoten, von denen außerhalb der Szene kaum jemand gehört hat. Zenvo, Quantino, Artega, Sbarro und Rinspeed – dagegen sind Spyker und Koenigsegg regelrechte Household-Names.

Nach Rennfahrergusto

Und wer kennt die Scuderia Cameron Glickenhaus? Das Extremsportwagenprojekt des Milliardärs James Glickenhaus gab sich jedenfalls die Ehre, auch Formel-1- und Indy-Legende Emerson Fittipaldi stellte seinen nach persönlichem Gusto gefertigten Rundstreckenflitzer in Genf vor. An zahlungskräftiger Klientel fehlt es an den Gestaden des Genfersees ja nicht.

Eine spezielle Atmosphäre schafft in Genf auch der Eindruck von Raumhöhe in den Hallen. Einer alten Verordnung zufolge darf kein Messebau 1,40 Meter (in den Raum hinein) überragen, das schafft Übersichtlichkeit und verhindert Verhüttelung ebenso wie kostspielige Monumentalbauten – Messeburgen, die einander wie in Frankfurt die Show stehlen, gibt es hier nicht.

Ein zweites Leben

Von luftigen Höhen gesprochen, landen wir flugs in Dieppe. Der Küstenort in der Normandie ist zwar arm an Höhenmetern, aber auch Sitz der Sportwagenmanufaktur Alpine, der in Genf ein zweites Leben eingehaucht wurde.

Die Vorstellung der Alpine A110 beendet eine 20-jährige Schaffenspause, was eigenständige Fahrzeuge angeht. Die Eckdaten lassen ein temperamentvolles Bergstraßentier erhoffen: Heckmittelmotor mit 252 PS an der Hinterachse, 1080 kg Leergewicht.

Ebenso bemerkenswert die Stilistik mit historischen Querverweisen, die die neue Alpine zu einem echten Charakterdarsteller macht. Die erste Auflage von 1955 Exemplaren zu Stückpreisen um die 60.000 Euro ist ausverkauft, wird aber erst ab Herbst ausgeliefert. Man vermutet wohl richtig, wenn man hinter dem zweisitzigen Sportwagen ein ganzes Modellsortiment heranziehen sieht, eine Art Premium-Label von Renault. Auf die SUV-Interpretation nach Alpine-Art kann man schon gespannt sein. Vielversprechend!

Die drei magischen Buchstaben mit verkaufsfördernder Wirkung standen auch bei Volvo im Vordergrund. Die Messeverweigerer feierten in Genf die zweite Generation des SUVs XC60, unbestritten das wichtigste Modell der Marke. Der neue XC60 wächst in Größe und Look dem Flaggschiff XC90 entgegen und ist selbstredend bis unter das Dach mit Sicherheitstechnik angefüllt. Highlight: Ein Assistent, der das auf die Gegenfahrbahn geratene Fahrzeug wieder einfangen soll, bevor es kracht. Ab Sommer ist der neue XC60 in Österreich zu haben.

Eine neue SUV-Baureihe entbietet Audi. In Genf noch Konzept, kommt der Q8 schon im nächsten Jahr. Der ins Maßlose ausgeweitete Kühlerschlund irritiert – und inspiriert: DS zeigt mit dem DS7 Crossback einen Q8-Doppelgänger.

Ab 2021, mit Inkrafttreten verschärfter CO2-Emissionsregelungen, wird kaum einer der traditionellen Hersteller ohne Elektroauto in seiner Flotte auskommen. Insofern wird der Reigen diesbezüglicher Neuheiten erst einsetzen, in Genf war E-Mobilität noch Randthema. Renault zeigt mit dem Zoe E-Sport inzwischen, was in einer rein elektrischen Zukunft möglich wäre: Power-Versionen, die althergebrachte Sportwagen in den Windschatten drängen. Allerdings ist der Aufwand beträchtlich: Trotz Leichtbaus nach allen Regeln der Kunst kommt der vier Meter lange Zoe E-Sport auf nicht federleichte 1400 kg: Der 40-kWh-Akku wiegt 450 kg. E-Motoren an Vorder- und Hinterachse leisten zusammen 460 PS, ein Ausgleich.

Ferrari freilich macht man da nichts vor. Mit 800 PS starkem 6,5-Liter-Zwölfzylinder im Motorraum kommt der 812 Superfast auf 1525 kg Leergewicht.

Volkswagen indes führt vor, wie eine gänzliche Entbindung der Passagiere von jeglicher Fahraufsicht aussehen könnte. Das gondelartige, nur aus Raum bestehende Vehikel Sedric kommt, über eine App bestellt, vorbeigefahren, elektrisch angetrieben und von Robotik gesteuert. Alles sei vorstellbar, sagt VW, eine Shared-Vehicle-Zukunft ebenso wie Besitzmodelle. Sicher ist: Ein Zweig der automobilen Entwicklung wird in diese Richtung führen.

(Print-Ausgabe, 10.03.2017)

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