BMW M760Li x-Drive: Boden-Boden-Rakete in feinem Zwirn

Opulenter Liegesitz im Fond, der bei Bedarf freilich zum Schleudersitz mutiert: BMW M760i.
Opulenter Liegesitz im Fond, der bei Bedarf freilich zum Schleudersitz mutiert: BMW M760i.(c)Eryk Kepski
  • Drucken

Der BMW M760Li x-Drive ist ein Superlativ auf ganzer Linie.

Als interner Arbeitstitel bei der Entwicklung in München wird von uns ein bodenständiges „Wenn, dann g'scheit“ vermutet. Der M760Li darf nicht nur erstmals als großer BMW den, wie es heißt, „schnellsten Buchstaben der Welt“ in seiner Bezeichnung tragen – er ist nichts weniger als der schnellste und stärkste BMW aller Zeiten. Ob das denn sinnvoll ist und zu einem Auto dieser Klasse passt, galt es zu vermessen.

Ist eine anschmiegsam-edle Luxuslimousine als Sprintkönig mit schwindelerregenden Leistungsdaten unharmonisch, ein Bodybuilder, der vor Kraft kaum laufen kann? Die Pflicht des 7ers ist es schließlich, seine Passagiere in größtmöglichem Komfort von A nach B zu geleiten. Wenn das dann auch noch richtig schnell passieren soll, ist das Risiko eines Zielkonflikts immanent. Die Grätsche, die der 760er zwischen Pflicht und Kür schafft, ist beispiellos.

Wohlfühllounge auf Steroiden

Das schöne Motto „Gleiten statt hetzen“ gilt im 760er ausnahmsweise bis 250 km/h. Dieses Tempo legt man locker und lässig mit einer Hand am Lenkrad zurück, während der Massagesitz die Ganzkörperaktivierung vornimmt, das Soundsystem in glasklarer Studioqualität beschallt, der integrierte Parfumspender edlen Duft durch die Lüftungsdüsen verströmt und der Fondpassagier in der Sitzkonfiguration à la Businessjet den langen Radstand des 7ers mit einem komplett nach vorn gefahrenem Beifahrersitz und anschließend elektrisch ausgefahrener Fußstütze in vollen Zügen genießt.

Die Präzision hinter dem Steuer eines Autos dieser Klasse ist im M-7er neue Benchmark, geht jedoch kein bisschen zulasten der sänftenartigen Wohlfühlabstimmung des Fahrwerks, vor allem im per Taster anwählbaren Komfort-plus-Modus. Der M760Li hat also die Dynamik und schon fast telepathisch exakte Lenkung eines M bekommen – Kompromisse seitens der Passagiere müssen dafür trotzdem keine eingegangen werden. Außer vielleicht beim Arbeitszeitmodell des Chauffeurs. Der Chef wird nämlich auch selbst ganz gern ins Lenkrad greifen – seit jeher das Argument gegen die Konkurrenz aus Stuttgart. Mit dem agilen Anstrich des M-Performance-7ers mehr denn je.

Was war noch einmal Downsizing?

In Zeiten, in denen seidig laufende Sechszylinder in der Mittelklasse nur noch in hierzulande exotischen Highflyern vorzufinden sind, bietet der M760Li mit seiner pompösen Motorisierung nicht nur ein reizendes Erlebnis für die Sinne – er ist einer der letzten Felsen in der Brandung der Automobilindustrie.

Die Urgewalt, die 610 PS und 800 Nm Drehmoment darstellen, findet mit zwölf Zündungen pro zwei Kurbelwellenumdrehungen in unvergleichlicher Eleganz in den Allradantriebsstrang. Die Faszination V12 ist subtil und doch deutlich spürbar für Menschen mit Benzin im Blut. Bei längerer Fahrt leider auch im Fußraum der ersten Reihe. Die Abwärme des monumentalen Motors ist deutlich spürbar, die Klimaanlage hat hart zu arbeiten. Keine Schonung der Mitarbeiter!

Natürlich sorgt auch ein Sechs- oder Achtzylinder für standesgemäßen Vortrieb. Doch das Potenzial des 7ers lässt sich am besten in seiner Topversion vollumfänglich erkunden. Ein Zwölfzylinder hat eben immer Saison, wenn nicht gerade Weltwirtschaftskrise herrscht. Sonst fällt der prestigeträchtige Aufpreis von V8 auf V12 von 80.800 Euro (Basispreis: 218.500 Euro) auch zu schwer ins Gewicht. Die dicke Haut gegenüber sozialer Verträglichkeit in unseren Breitengraden muss man selbst mitbringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.