Die Polizei hat das Flüchtlingscamp im Sigmund Freud Park vor der Wiener Votivkirche geräumt. Es gab keinen Widerstand und keine Verletzten. In der Votivkirche will die Polizei nicht einschreiten.
Rund um die Besetzung der Votivkirche kam es am Freitag um vier Uhr früh zu einer neuen Entwicklung. Das Zeltlager im Sigmund Freud Park vor der Kirche wurde von der Polizei geräumt. Nach Angaben der Polizei gab es keinen Widerstand und keine Verletzten.
Die Räumung des Zeltlagers wurde von uniformierten und zivilen Kräften der Polizei durchgeführt. Die Aktion begann um 4.00 Uhr und war um 07.10 Uhr beendet. Zwei Personen wurden nach dem Fremdenpolizeigesetz festgenommen, 19 Anzeigen seien nach der Kampierverordnung und fünf Anzeigen wegen sonstiger Verwaltungsübertretungen erstattet worden, teilte die Polizei mit. Bei 20 Personen seien Identitätsfeststellungen durchgeführt worden.
Es ist so, als ob es nie dagewesen wäre. Dort, wo bis gestern in der Früh noch das Asyl-Protest-Camp vor der Votivkirche gestanden ist, sind nur mehr hellgrüne Grasnarben zu sehen. Der Abdruck der abgerissenen Zelte. Regen wird wohl auch den bald verwischen. VON EVA WINROITHER AKS-Wien/Julia Spacil
Um vier Uhr in der Früh in der Nacht auf Freitag hat die Polizei begonnen, das Camp im Sigmund-Freud-Park zu räumen. Mit geringer Vorwarnung. Dafür mit der gesamten demonstrativen Macht der Exekutive. APA-FOTO: POLIZEI
Augenzeugen berichten von mehr als 20 Polizeiautos, die die ganze Straße vor der Votivkirche verstellt haben. „Ungefähr 200 Polizisten haben dann in Kampfmontur den Park belagert“, sagt eine junge Aktivistin, die seit dem Beginn der Proteste dabei ist. APA-FOTO: POLIZEI
Eine Gruppe Aktivisten stehen um zirka neun Uhr Vormittag im strömenden Regen vor der Votivkirche. Sie können selbst nicht in die Kirche hinein, jegliches Klopfen an der massive Kirchentür aus Holz bleibt ungehört. Ihre Gesichter sind müde. Sie wissen nicht, wie es weiter geht. Eva Winroither (Die Presse)
„Mitten in der Nacht ist die Nachricht von einer Caritas-Helferin gekommen, dass das Camp geräumt wird, da bin ich rausgerannt“, erzählt Julian, der seit Wochen die Hungerstreikenden in der Kirche unterstützt und selbst zur Campräumung in der Kirche war. Eva Winroither (Die Presse)
Laut Aussendung der Aktivisten wurden die Menschen vor der Kirche lediglich auf Deutsch informiert, dass das Camp innerhalb von fünf Minuten zu räumen sei. Eva Winroither (Die Presse)
Aktivisten, Flüchtlinge wurden neben das Zelt gestellt und fotografiert. Mindestens vier Leuten seien Verwaltungsstrafen angekündigt. Dann seien LKWs auf den Platz – und Bauarbeiter und Polizei hätten begonnen das Inventar zu zerstören. „Ein Bagger hat mit einer Greifzange die Zelte genommenen und alles in einen LKW geworfen“, erzählt eine Aktivistin. Drei Flüchtlinge, die den Info-Stand betrieben haben, seien bis jetzt abgängig. Eva Winroither (Die Presse)
Die Flüchtlinge in der Kirche (sie befinden sich seit mehreren Tagen im Hungerstreik) seien von der Räumung unmittelbar nicht betroffen gewesen. „In der Kirche verkündete eine Mitarbeiterin der Caritas, dass die Polizei ohne Zustimmung des Pfarrers nicht in die Kirche dürfe. Jene, die die Kirche verlassen wollen, könnten gehen, sie würden aber nicht mehr hinein gelassen werden“, heißt es in der Aussendung. Eva Winroither (Die Presse)
Körperliche Gewalt sei an niemanden angewendet worden, erzählt die Gruppe vor der Kirchentür. Der Schreck und die Angst sitze dennoch alle in den Gliedern. „Ich bin heute nicht so belastbar“, sagt Julian entschuldigend. Eva Winroither (Die Presse)
In der Kirche selbst ist die Stimmung gedrückt. Um zirka zehn Uhr ist der Direktor der Caritas Wien Michael Landau sowie der Bischofsvikar Dariusz Schutzki und Michael Chalupka, Chef der Diakonie, zu einem Lokalaugenschein gekommen. So können auch die Aktivisten zum ersten Mal wieder in die Kirche. Auf einem Matzratzenlager liegen die Asylwerber in dicke Decken und Schlafsäcke gehüllt. Vorwiegend Männer, viele sind verkühlt, sie husten immer wieder. Eva Winroither (Die Presse)
Landau und Schutzki sind selbst erst in der Nacht von der Räumung informiert worden. „Es war eine Überraschung“, sagt Landau während er in die Kirche geht. Der Bischofsvikar spricht von einem „einzelnen Schlag der Polizei“. Eva Winroither (Die Presse)
Die Asylwerber in der Kirche dürfen laut Schutzki dort auch bis auf weiteres bleiben. „In der jetzigen Situation schließen wir eine Räumung aus“, sagt Schutzki nach dem Gespräch mit den Asylwerbern. Die Männer in der Kirche sind trotzdem verunsichert. Sie berichten von Drohungen der Polizei am Kirchentor. „Niemand hat eine Lösung für uns“, sagt ein Mann. Sie wollen weiter, dass ihre Forderungen durchgesetzt werden. Eva Winroither (Die Presse)
Sowohl Michael Chalpuka von der Diakonie als auch Landau appelieren nun an Politiker, sich mit den Forderungen der Asylanten auseinanderzusetzen. Ein Runden Tisch an dem Vertreter der Caritas (sie betreuen die Asylwerber), Regierung, Kirche und Asylwerber hatte davor keine Ergebnisse gebracht. Eva Winroither (Die Presse)
„Es hat geheißen, wir bleiben im Gespräch, aber da ist nichts passiert“, sagt Landau. Chalupka formuliert es anders. „Die Flüchtlinge wollen mit den Zuständigen Politikern reden. Da fällt niemandem einen Zacken aus der Krone, das zu tun.“ Eva Winroither (Die Presse)
Gedrückte Stimmung in Votivkirche
Asylwerber in Kirche nicht betroffen
Die Räumung begründete die Polizei damit, dass keine Erlaubnis der Stadt Wien als Grundeigentümer vorgelegen und das Landesgesetz, konkret die Kampierverordnung, verletzt worden seien. Deshalb sei die Polizei von sich aus tätig geworden, weil sie das Gesetz vollziehen müsse. Ein ausdrückliches Ersuchen der Stadt Wien habe es dazu nicht gegeben.
In der Votivkirche befinden sich nach Angaben der Caritas nach wie vor etwa 35 bis 40 Asylwerber, 14 davon weiterhin im Hungerstreik. Die Polizei versicherte auf Anfrage der Austria Presse Agentur, diese Personen nicht aus der Kirche entfernen zu wollen. Solange dies von der Kirche als Eigentümerin geduldet werde, sei dies kein Thema. Die Eigentümerin müsste schriftlich bestätigen, dass sie in ihren Rechten geschädigt sei und den Aufenthalt der Asylwerber nicht dulde. Solange dies nicht der Fall sei, sehe die Polizei keinen Einschreitungsgrund- außer es komme zu einer "groben Störung der öffentlichen Ordnung", erläuterte ein Polizeisprecher.
Protest in der Votivkirche
Die Hungerstreikenden in der Votivkirche werden von der Caritas betreut – und von NGOs wie „SOS Mitmensch“ und „Asyl in Not“ unterstützt; diese sind allerdings nicht aktiv in die Organisation involviert. Es sind spontane Unterstützer oder Mitglieder von Initiativen wie „Familie und FreundInnen gegen Abschiebung“, die bei dem Protest aktiv mitwirken.
Die Asylwerber wollen die Kirche nicht verlassen, ehe auf ihre Forderungen eingegangen wird. Die Caritas wird wegen des regulierten Zugangs kritisiert.
Die Caritas hat die Räume in einem Kloster gemeinsam mit Flüchtlingsvertretern besichtigt. Das Verhältnis zwischen Betreuern und Asylwerbern sei "angespannt".
Die angebotene Unterkunft sei kein "menschenwürdiges Angebot", sagen die Besetzer der Votivkirche. Das Erzdiözese glaubt nicht an einen schnellen Umzug.
Der Kardinal kritisiert die Aktivisten, sie wollten eine Systemänderung und würden die Not der Menschen für ihre Ideologie missbrauchen. FP-Chef Heinz-Christian Strache begrüßte die, wie er sagte, klaren Worte.
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