Vatikan: Generalaudienz mit Volksfeststimmung

Vatikan Generalaudienz Volksfeststimmung
Vatikan Generalaudienz Volksfeststimmung c EPA CLAUDIO PERI
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Benedikt XVI. wirkte bei einem seiner letzten öffentlichen Auftritte, als wäre ihm eine große Last von den Schultern gefallen. Zur Feier des Tages spielte ihm eine Allgäuer Blaskapelle auf.

[Rom] Es ist Aschermittwoch, aber in der großen Audienzhalle des Vatikans herrscht Volksfeststimmung. Eine Blaskapelle aus dem Allgäu ist aufgefahren. In Erwartung des Papstes unterhält sie die knapp neuntausend Besucher mit flotter Marschmusik, und bei „Mein Heimatland“, wo das große „Heidi-Heidi-Heido-Heida“ anfängt, da klatschen und jubeln alle mit: Deutsche und Brasilianer, Spanier und Kroaten; sogar der kühle englische Gospelchor, der in feierlichen Ministrantengewändern ein paar vordere Reihen besetzt, lässt sich zu gelindem rhythmischen Mitwippen hinreißen.
Mittwoch, der allwöchentliche Termin für die päpstliche Generalaudienz. Es ist die erste nach der Rücktrittsankündigung Benedikts XVI. am Montag. Und es ist fast schon der Abschied: Es bleibt nur mehr eine Generalaudienz am 27. Februar, dem Tag vor Benedikts offiziellem Amtsende.

Und dann kommt er, zwanzig Minuten zu spät zwar, aber ohne Stock oder sonstige Hilfsmittel. Er geht hinein in diese unglaublich weit geschwungene Betonhalle, breitet seine Arme aus, während das Publikum ihn mit „Be-ne-de-to“-Rufen zu seinem Sessel geleitet, dann hebt er noch einmal die Arme ganz weit hoch, wie im Stadion, so wie Joseph Ratzinger das von seinem ersten Augenblick an als Papst getan hat, und er lächelt.

Rauschender Beifall

Wer vor acht Jahren seine ersten Auftritte gesehen hat, der fühlt sich daran zurückerinnert. Ratzingers Schüchternheit ist geblieben, aber einen müden Eindruck macht er nicht. Eher gelöst, erlöst wirkt er, entspannt, und auch wenn seine dünne Stimme etwas krächzt – das tut sie fast immer –, sie klingt unerwartet fest und stark, als er anfängt: „Liebe Brüder und Schwestern! Wie ihr wisst, habe ich mich entschlossen . . .“ – und dann geht vor rauschendem Beifall erst einmal gar nichts mehr.
„Ich habe mich zum Amtsverzicht entschlossen, in völliger Freiheit, für das Wohl der Kirche.“ Scheinbar unbewegt liest Benedikt XVI. das von seinem Zettel ab, als würde es ihn gar nicht betreffen: „Der Schwere dieses Akts bin ich mir bewusst, genauso bin ich mir aber auch bewusst, dass meine Kraft für die Anforderungen des Petrusamts nicht mehr ausreicht.“

Als Applaus aufbrandet, dankt er spontan „für eure Sympathie“, winkt fröhlich ins Publikum, und dann – kaum zwei Minuten hat seine Erklärung gedauert – geht er zur achtmal längeren Predigt über: über den Menschen, der sein Ziel verfehle, wenn er sich Gott nicht öffne. Den Inhalt der Predigt wiederholt er in sieben Sprachen (darunter Arabisch); seinen Rücktritt erklärt er nur auf Italienisch.

Nach einer guten Stunde setzt die Ruderatshofener Blaskapelle mit dem „Deutschmeister-Regimentsmarsch“ ihre unfehlbare Stimmungskanone wieder in Gang – und im Publikum findet es eine kleine Regensburger Reisegruppe „einfach nur Wahnsinn“: den Papst, „und dass er das genau in unseren Romferien gemacht hat. Einmalig!“ Schmal sei er geworden, der Benedikt: „Des G‘sichterl, was er ‘kriegt hat!“ Und für den Rücktritt bekunden sie ihm „allen Respekt“: „Diese Bescheidenheit! Das hätt' kein anderer z'sammbracht. Ma kann's ihm vergönnen, dass er jetzt sei‘ Rua hat.“

Noch hat Benedikt sie nicht, auch wenn er sich zumindest den Aschermittwoch erleichtert hat: Die abendliche Liturgie mit Bußprozession hat er vom Aventin in den Petersdom verlegt. Doch am 28. Februar um 17 Uhr, so hat es Pressesprecher Federico Lombardi angekündigt, fliegt der Hubschrauber. Vom Vatikan nach Castel Gandolfo. Dann ist das Pontifikat des sechzehnten Benedikts Geschichte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14. Februar 2013)

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