Migrantenmedien: Hobby oder Full-Time-Job

(c) Michaela Bruckberger
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Viele Migranten-Communitys haben eigene Printmedien. Die Anzeigentarife beruhen bei ihnen vor allem auf eigenen Angaben über die Höhe der Auflage. Nur wenige lassen sich von externen Prüfern kontrollieren.

Wien. 35 bis 40 Migrantenmedien gibt es in Österreich. Was die Professionalität dahinter angeht, ist das Spektrum breit – ebenso bei der Finanzierung und der Höhe der Auflage. Der Grund dafür ist simpel: Viele Zeitungen und Magazine wollen sich nicht so genau in die Karten blicken lassen.

„Die offizielle Auflagezahl stimmt mit der tatsächlich gedruckten Menge nicht überein“, gibt ein Mitarbeiter eines Migrantenmediums zu, der anonym bleiben möchte. „Ich bin zwei Mal beauftragt worden, die Zeitung von der Druckerei abzuholen und habe gestaunt, wie wenig es war.“ Ein anderer ehemaliger Mitarbeiter eines Migrantenmediums bestätigt Vorgänge wie diese. „Solange nicht geprüft wird, kann man angeben, was man will.“

Lediglich drei Migrantenmedien lassen ihre Auflagenzahl extern prüfen. Es sind dies das türkische Monatsmagazin „Yeni Hareket“, das Magazin „Kosmo“ – welches sich an die zweite und dritte Generation von sogenannten Austro-Bosniaken, -Kroaten, -Montenegrinern und -Serben wendet und ebenfalls monatlich erscheint –, sowie das „Biber“, ein deutschsprachiges Magazin für junge Migranten, das zehn Mal pro Jahr produziert wird.

Kontrollierte Auflage

Diese drei Medien sind Mitglieder der Österreichischen Auflagenkontrolle (ÖAK), die seit 1994 Prüfungen der tatsächlichen Auflagen vornimmt. Die Mitgliedschaft erfolgt auf freiwilliger Basis und gilt als ein Qualitätszeichen, mit dem Werbeträger mehr Sicherheit bekommen sollen, wie viele Menschen ihre Inserate tatsächlich zu Gesicht bekommen können.

Warum sind nur drei Migrantenmedien Mitglieder bei der ÖAK? „Für viele ist das sicherlich ein Kostenfaktor“, sagt ÖAK-Geschäftsführerin Alexandra Beier-Cizek, „und ein nicht zu unterschätzender administrativer Aufwand.“ Die Mitgliedschaft kostet 590Euro pro Jahr, dazu kommen etwa 1000 Euro Prüfgebühr. Schaut man sich die Vertriebswege mancher Verleger an, so werden die Zeitungen oft im Ein- bzw. Zwei-Mann-Betrieb an Supermärkte oder Vereinslokale ausgeliefert. Übernahmebestätigungen oder Lieferscheine wären eine zusätzliche Arbeit, die nur schwierig zu bewältigen wäre. „Die ÖAK bietet aber Hilfestellung und freut sich über neue Mitglieder“, so Beier-Cizek.

Österreichische Firmen haben schon vor einiger Zeit die migrantischen Medien als Werbeträger entdeckt. Die Mitgliedschaft bei der ÖAK ist für sie ein Garantiesiegel dafür, dass die angegebene Auflage auch tatsächlich stimmt. „Es wird knallhart kontrolliert“, erzählt Wilfried Wiesinger vom Magazin „Biber“, „in diesem Jahr sind wir schon zwei Mal kontrolliert worden.“ Für „Biber“ ist die Mitgliedschaft bei der ÖAK umso wichtiger, weil es als kostenloses Medium nicht in der Mediaanalyse – der größten Studie zur Erhebung des Medienkonsums – auftaucht. Das Magazin finanziert sich ausschließlich über die Anzeigen. Angefangen hat Biber sehr klein, heute sind es fünf Angestellte, die von den Anzeigeneinnahmen leben können.

Angaben der Verleger

Bei den Medien, die nicht von externen Prüfern kontrolliert werden, sind Inseratenkunden ausschließlich auf die Angaben der Verleger angewiesen und können denen vertrauen – oder nicht. Die Tarife sind dabei höchst unterschiedlich.

So mussten etwa bei der Zeitung „Kurdi“ für ein ganzseitiges Inserat gerade einmal 600Euro bezahlt werden. Diese bescheidenen Anzeigenpreise lagen vor allem an der niedrigen Auflage – 3000Exemplare waren gedruckt worden. Waren worden, denn „Kurdi“ wurde nach der Oktoberausgabe eingestellt. „In den letzten Monaten haben wir zu wenig Anzeigen bekommen“, sagt Murat Buga und fügt hinzu: „Oft haben wir auch aus eigener Tasche zugezahlt.“

Doppelt so viel wie „Kurdi“ verlangt das Magazin „Bulgaren in Österreich“, das als Zielgruppe die in Österreich lebenden Bulgaren und die deutschsprachige Öffentlichkeit hat. Seit 2006 erscheint das Magazin sechs Mal im Jahr, die kleinste Anzeige, bei einer Auflage von 5000 Exemplaren und einem Verkaufspreis von 2,50Euro, kostet 320Euro. „Es war meine Idee, diese Zeitung zu gründen“, sagt Chefredakteurin Elitsa Karaeneva Devrnja, „es gab viele, die an uns geglaubt haben.“ Und weil viele an die Arbeit geglaubt haben, funktioniert die Zeitung heute immer noch. Trotz finanzieller Knappheit. Leben kann man freilich nicht davon. „Das ist eher ein Hobby“, sagt Devrnja, „das aber sehr viel Spaß macht.“ Rund 15Redakteure bekommen ihre Arbeit nicht bezahlt, das Geld reicht gerade für die Druck- und Portokosten.

Ethnomarketing

Eine gekoppelte Finanzierung hat das Magazin „BUM“, das als Zielgruppe bosnisch, serbisch, kroatisch und türkisch sprechende Migranten hat. „BUM wird in erster Linie über die Anzeigen und Ethnomarketing-Kooperationen finanziert“, sagt Dino Šoše, Geschäftsführer der Ethnomarketing Agentur Bum Media. Die angegebene Auflage liegt bei 140.000Exemplaren und wird größtenteils kostenlos verteilt.

Die höchsten Anzeigenpreise hat das ÖAK-geprüfte Magazin „Kosmo“. Je nach Größe kostet ein Inserat zwischen 1361 und 19.800Euro. Nach Angaben des Geschäftsführers Dejan Sudar finanziere sich das kostenlose Monatsmagazin ausschließlich durch den Verkauf von Anzeigen.

Auf einen Blick

Ethnomedien: 35 bis 40Medien von und für Menschen migrantischer Herkunft gibt es derzeit in Österreich.
Nur drei davon lassen ihre Auflage von der ÖAK prüfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2010)

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