Die Ökonomie der Halfpipe

(c) AP (Alessandra Tarantino)
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Snow- und Skateboarder sind im Mainstream gelandet. „Die Szene ist im Abwind. Die Euphorie hat ihren Höhepunkt überschritten“, erklärt Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier.

INNSBRUCK. Heaven is a halfpipe: Der alte Slogan von Band OPM klingt noch immer gut. Und die Sprüche noch immer gut gelaunt: „Was Snowboarder ausmacht? Du musst drauf scheißen! Das fängt mit der Hose unterm Hintern an und hört mit völlig irren 20 Meter Sprüngen auf.“ Für Wolfgang Kaiser ist Snowboarden „ein Lebensgefühl, meine Einstellung zum Leben“. Selbstredend sitzen die Hosen tief und die Ansprüche hoch: „Die einzige Regel beim Boarden ist Spaß zu haben. Wer was anderes sagt, hat es nicht verstanden.“

Offensichtlich verstehen das aber immer weniger: Denn „die Szene ist im Abwind. Die Euphorie hat ihren Höhepunkt überschritten“, erklärt Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier. Laut einer Umfrage des Institutes für Jugendkultur zählen 17 Prozent der Österreicher zwischen elf und 29 Jahren zu den Snowboardern. Während bei den 20- bis 29-Jährigen noch ein Viertel angibt zur Snowboardszene zu gehören, sind es bei den Elf- bis 14-Jährigen nur noch elf Prozent. Nachwuchs fehlt. Warum?

Erstens ist die Szene laut Heinzlmaier „nicht sonderlich innovativ. Seit dem Boom in den 1990er-Jahren hat sich wenig verändert.“ Außerdem ist der Halfpipe-Himmel inzwischen auch eine eigene Industrie – von Events bis teure Bekleidung und Ausrüstung – hat, mit der sich die Szene längst arrangiert hat. „War Snowboarden damals die freche Antwort auf das langweilige Skifahren, ist es mittlerweile eine Allerweltsgeschichte. Darunter leidet der Coolnessfaktor“.

Logisch, dass der Rückgang in erster Linie die Rand- und Freizeitszene betrifft: Das sind jene, die Snowboarden, weil sie es cool finden. Die Kernszene – Jugendlichen, die sich intensiv mit dem Sport auseinandersetzen – ist konstanter. Sie ist vor allem in den ländlichen Gebieten Westösterreichs zu finden. Im städtischen Raum dominieren andere Boarder: Die Skateboarder, zu denen landesweit zwischen fünf und sechs Prozent der Jugendlichen zählen. Im Gegensatz zu den Snowboardern sind sie im Durchschnitt jünger und zelebrieren ihren Sport wie eine Religion.

Skateboarden relativ billig

Was beide verbindet, ist die Herkunft aus dem Mittelstand – denn auch hier fährt die Wirtschaft mit: Zwar ist Skateboarden im Vergleich zum Snowboarden relativ billig, aber Dazugehören setzt trotzdem auch den Erwerb codierter Konsumartikel voraus. Wobei es nicht immer nur um Dinge geht, die für den Sport selbst nötig sind, so Pia Tomedi, aus dem Innsbrucker Skateshop Soho.

Sowohl Snow-, als auch Skateboarder kaufen hier ein. Der Laden bietet neben den Sportgeräten eine große Auswahl an Streetwear und Accessoires. Gerade Zweiteres sei stark im Kommen. Von der Geldbörse über Bikinis bis zur Sonnenbrille bieten große Marken wie Burton, Billabong, Etnies oder Plan B mittlerweile alles an. Weil der Style in der Szene sehr wichtig ist, gibt es genug Käufer. „Im Durchschnitt kaufen unsere Kunden zwei Teile pro Besuch.“

Die Szene nascht bereits an der Vermarktung mit. Beispiel für die Snowboarder ist der 27-jährige Seefelder Chris Haselwanter. Unter dem Namen „Air Patrol“ tritt er mit seinem Team bei Shows auf und unterhält die Gäste mit waghalsigen Sprüngen. Er lebt davon, Sponsorenverträge bieten den Fahrern im Team die Möglichkeit Equipment günstiger zu erstehen. In der heurigen Saison trat die „Air Patrol“ bei 60 Shows auf. Die Vermarktung stört ihn nicht: „Man muss es nur für sich zu nutzen wissen.“ Dann ist auch der Himmel ein gutes Geschäft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2008)


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