Grönland: Eisdecke schmilzt im Rekordtempo

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Fast der gesamte grönländische Eisschild ist Mitte Juli zumindest angetaut. Das Ausmaß sei größer als in den vergangenen 30 Jahren, warnt die Nasa.

Washington/Ag/Red. Fast die gesamte Oberfläche des grönländischen Eisschildes ist Mitte Juli zumindest angetaut. Das teilte die US-Weltraumagentur Nasa mit, die Daten von drei verschiedenen Satelliten ausgewertet hat. Das Ausmaß sei größer als in den vergangenen 30 Jahren – seit damals wird die Entwicklung des grönländischen Eises beobachtet.

In einem durchschnittlichen Sommer schmelze das Eis natürlicherweise etwa auf der halben Oberfläche Grönlands, heißt es bei der Nasa. In großer Höhe friere der größte Anteil des Wassers aber schnell wieder. Nahe der Küste wird einiges Wasser von Eisbarrieren zurückgehalten, etwas Wasser fließt in den Ozean. „Aber in diesem Jahr hat das Schmelzen an der Oberfläche einen dramatischen Sprung gemacht“, heißt es. Den Satellitendaten zufolge taute das Eis zwischen 8. und 12. Juli auf etwa 97 Prozent der Fläche Grönlands.

Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) bewertete dies als sehr außergewöhnliches Ereignis – in einer Reihe von Extremereignissen der vergangenen Jahren. „Dass wir solche Extremereignisse infolge globaler Erwärmung sehen, ist nicht verblüffend und sogar zu erwarten“, sagte der Professor für die Dynamik des Klimasystems zur Nachrichtenagentur dpa. „Im Moment können wir aber die weiteren Folgen noch nicht abschätzen. So wissen wir nicht, was so eine extreme Schmelzperiode bedeutet, außer dass in diesem Moment mehr Wasser verloren geht und der Wasserspiegel ansteigt“, sagte Levermann. Erst kürzlich hatten die PIK-Forscher festgestellt, dass die Erderwärmung den Eismassen Grönlands wahrscheinlich stärker zusetzt, als bisher angenommen.

Lora Koenig von der Nasa-Forschungseinrichtung „Goddard Space Flight Center“ wies darauf hin, dass die Eisschmelze in Grönland noch nicht lange genug beobachtet werde, um fundierte Rückschlüsse auf die mögliche Erwärmung zu ziehen. „Natürlich ist das ein Signal. Einordnen werden wir das aber erst in einigen Jahren können“, so der Wissenschaftler.

Grönlands Eisschild am (. Juli (links) und am 12. Juli dieses Jahres
Grönlands Eisschild am (. Juli (links) und am 12. Juli dieses Jahres(c) EPA/NASA

Eisberg brach von Petermann-Gletscher ab

Schon 1889 erlebte Grönland ein so radikales Ereignis: Laut Aufzeichnungen taute damals ebenfalls die Eisdecke der gesamten Insel auf. „Solche großen Schmelzen passieren alle 150 Jahre, das heißt, die jetzige käme zum erwartbaren Zeitpunkt“, so der Glaziologe Koenig. Er geht davon aus, dass ein Großteil der angetauten Masse nun wieder friere. Seien aber ähnliche Schmelzen auch in den kommenden Jahren zu beobachten, müsse man sich Sorgen machen. Laut Nasa könnte die Ursache ungewöhnlich warme Luftschichten sein – die Nasa spricht von Hitzeglocken –, die sich im Juli mehrmals über Grönland gebildet haben.

Erst vor rund einer Woche ist auf Grönland ein riesiger Eisberg – etwa in der Größe von Graz – vom Petermann-Gletscher an der Nordwestküste des Landes abgebrochen (Bild unten). Bereits vor zwei Jahren hatte sich ein gigantischer Brocken desselben Gletschers abgelöst. Auch hier sind sich Experten nicht einig, ob es sich um „normales“ Kalben des Gletschers handelt oder um ein außergewöhnliches Phänomen.

(c) REUTERS/NASA

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2012)

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