Neues Leben für das Tote Meer?

Neues Leben fuer Tote
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Das Wasser am tiefsten Punkt der Erde sinkt und sinkt. Nun soll ein Kanal vom Roten Meer Hilfe bringen. Er brächte aber auch ökologische Risken.

Kein Stück Erde liegt so tief wie die Oberfläche des Toten Meers. Im Jahr 2010 lag sie 423 Meter unter dem (restlichen) Meeresspiegel, und sie sinkt weiter: In den letzten 50 Jahren ist sie um 30 Meter gesunken; es geht immer rascher, derzeit sind es 1,2 Meter pro Jahr. Die Gründe sind vielfältig, oft hat der Mensch die Finger im Spiel: Das Tote Meer wird vom Jordan gespeist, dieser brachte einst 1,3 Milliarden Kubikmeter Wasser im Jahr, gutes, frisches Wasser; heute sind es 100 Millionen, der Rest geht v.a. in die Landwirtschaft, und was dort wieder wegfließt, ist mit Dünger gesättigt; zudem werden, sowohl auf israelischer als auch auf jordanischer Seite des Toten Meers, industriell große Mengen des Wassers verdampft, um Mineralien zu gewinnen, Magnesium und Pottasche, Kaliumkarbonat.

Amman braucht dringend Trinkwasser

Aber es ist nicht nur der Mensch: Der deutsche Jesuit und Universalgelehrte Athanasius Kircher diagnostizierte das Problem schon 1664, und eine Therapie hatte er auch: Man möge dem Toten Meer neues Wasser zuführen, mit einem Kanal vom Roten Meer. Das ist fast 200 Kilometer weit weg, der Plan war zu utopisch, er wurde erst in der Erdölkrise 1973 von Israel wieder aufgegriffen, zur Energiegewinnung: Das Wasser sollte auf dem Weg vom Roten Meer hinüber – und vor allem: hinab – zum Toten Meer Turbinen treiben, Strom erzeugen. Auch daraus wurde nichts, aber die Trinkwassernot brachte dann doch etwas Einmaliges zustande: Die Anrainer – Israel, Jordanien, Palästinenser – taten sich zusammen und baten die Weltbank, die Machbarkeit des Projekts zu prüfen. „Es ist der einzige Ort, an dem die drei an einem Projekt zusammenarbeiten“, erklärt Alex McPhail, der Zuständige bei der Weltbank.

Und was für ein Projekt: Teils per Kanal, teils per Pipeline sollen zwei Milliarden Kubikmeter im Jahr fließen, und auch diesmal ist ein Wasserkraftwerk eingeplant: Mit seinem Strom soll das durchfließende Meerwasser entsalzt werden – und als Trinkwasser in das v.a. darbende Amman gehen –, die restliche salzige Brühe fließt dann ins Tote Meer, das ist ohnehin extrem versalzen. Zehn Milliarden Dollar soll das Ganze kosten, die Weltbank hat lange geprüft und jetzt einen positiven Bericht vorgelegt: „Alle potenziellen, größeren Einflüsse auf Umwelt und Gesellschaft können in akzeptierbaren Grenzen gehalten werden“, fasste McPhail zusammen (Naturenews, 27.2.). Dem stimmen nicht alle zu. Nicht nur die Autoritäten von Israel, Jordanien und den Palästinensern haben sich zusammengetan, Umweltschützer taten es auch: Sie verweisen darauf, dass der Kanal durch eine erdbebengefährdete Zone gehen würde, und sie mahnen, dass die Auswirkungen des neuen Wassers auf das Tote Meer unabsehbar sind. Es gibt zwei Szenarien: Das Meer könnte rot werden, da das neue Wasser Algenblüten treibt, oder das Meer könnte weiß werden, da das neue Wasser Kalziumsulfat – Gips – auskristallisieren lässt. Deshalb möge man lieber am Jordan sparsamer mit dem Wasser umgehen. Das würde nicht reichen, das wissen die Umweltschützer auch, sie schlagen deshalb Wasserimporte nicht vom Süden, sondern vom Norden her vor – Pipelines aus der Türkei –, und noch viel kürzer wäre natürlich der Weg vom Westen her, vom Mittelmeer über israelisches Gebiet.

„Das wäre sicher billiger“, urteilt Weltbank-Experte David Meeham, der die Studie erstellt hat: „Aber nach meiner Einschätzung wäre das in Jordanien sehr unpopulär. Israel hätte dann das Trinkwasser von Amman unter seiner Kontrolle.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2013)

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