Elektroautos: Wiens verpasste Chance

Elektroautos Wiens verpasste Chance
Elektroautos Wiens verpasste Chance(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In Berlin und Kopenhagen kann man Elektroautos im öffentlichen Raum laden. Wien versteckt seine Stromtankstellen in Garagen. Und verschläft eine Chance, sagen Wirtschaftstreibende.

Volt und Ampere statt Diesel und Benzin: Geht es um das Auto der Zukunft, kommt man an elektrischen Antriebskonzepten nicht vorbei. Auf der Kurzstrecke und im dicht besiedelten Raum kann Energie aus dem Akku helfen, in das immer enger und enger geschnürte Korsett von EU-Vorschriften zu den Themen Feinstaub, Schadstoffe und Lärm zu passen. So lautet die Hoffnung. Auch in Wien. Theoretisch.

Praktisch sieht die Sache anders aus. Der Eindruck, dass die Hauptstadt, die sich selbst als technologisch fortschrittlich und ökologisch nachhaltig darstellt, alternative Antriebsformen wirklich ernst nimmt, täuscht. Obwohl das Büro des Bürgermeisters vergangene Woche verkündete, den „flächendeckenden Einsatz von Elektromobilität“ anzustreben. Obwohl die Umweltstadträtin schreibt, Schadstoffe und Lärm mit „Ausbau der Elektromobilität inkl. der dafür notwendigen Infrastruktur“ zu bekämpfen.

Auto bleibt Auto. Trotz idealer Voraussetzungen (Stadt, kurze Wege, keine Berge) trägt mit 137 Fahrzeugen nicht einmal jedes zehnte Elektroauto in Österreich (1389) ein Wiener Kennzeichen. In Vorarlberg (396) und Niederösterreich (207) sind mehr Fahrzeuge mit Strom unterwegs, sogar die knapp 500.000 Kärntner können der neuen Technologie (141) mehr abgewinnen als die 1,7 Millionen Wiener. Warum?

„Weil für die Stadtregierung auch ein Elektroauto nur ein Auto und damit ein Ärgernis ist“, sagt Peter Laggner, Miteigentümer der Wiener Zimmer GmbH, die unter dem Markennamen Yoom Elektrofahrzeuge importiert. Das größte faktische Hindernis sei die Infrastruktur zum Laden der Akkus. Fast alle Stromtankstellen sind in Tiefgaragen versteckt, in denen man nicht nur den Strom, sondern auch für das Parken bezahlt. „Und Ladestationen im öffentlichen Raum will man nicht.“ Das haben ihm Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou und Ursula Stenzl als Bezirkschefin für die Innere Stadt deutlich signalisiert.

Die gleiche Erfahrung hat auch Michael Viktor Fischer gemacht. Er ist Geschäftsführer von E-Mobility Provider Austria, einem Joint-Venture, hinter dem mit dem Verbund und Siemens zwei Großkonzerne stehen. Ziel des Projekts ist es, bis 2020 bundesweit 4500 Ladestationen zu errichten. Vor Supermärkten – und im öffentlichen Raum. In Wien, sagt Fischer, ein Ding der Unmöglichkeit. Auch der Verbund hat es Am Hof probiert. Ergebnis? Keines. Denn ob eine Stadt ihren Bürgern den Zugang zu Ladepunkten möglichst leicht oder schwer macht, scheint längst zur Gretchenfrage moderner Stadtplanung geworden zu sein.

Die einen, Wien gehört dazu, sprechen sich nicht gegen (automobile) Elektromobilität aus, halten die Infrastruktur aber für unattraktiv. Die anderen, Berlin, London, Stuttgart, Kopenhagen oder Amsterdam stellen Stromtankstellen in den öffentlichen Raum. Um auch Straßenparker und Carsharer zu überzeugen. Trotz Investitionen in öffentliche Verkehrsmittel ist Autoverkehr nämlich nie ganz zu vermeiden. Ziel ist es, Autos so umweltfreundlich wie möglich zu machen. Die Konsequenz: Während der internationale Carsharing-Anbieter Car2Go (Daimler) in einigen Städten bereits voll, in manchen teilweise elektrisch fährt, verursacht der Fuhrpark in Wien Schadstoffe wie andere Autos auch.

So stellt Wien Energie im gesamten Stadtgebiet gerade einmal zehn Standorte mit dem für moderne Fahrzeuge nötigen Typ2-Stecker zur Verfügung (Berlin: 122; Amsterdam: 135). Und das meist in Garagen, wo das Tagesticket über 20 Euro kostet. Nur in der Park&Ride-Anlage in Siebenhirten ist das billiger möglich.

Dabei steht die Nachfrage erst am Anfang. Neben der wegen Reichweite und Preis unattraktiven reinen Elektroautos bringen die großen Autohersteller bis 2015 etwa 70 Modelle von Plug-In-Hybriden auf den Markt. Das sind Autos mit Verbrennungs- und Elektromotor, wobei der Akku stark genug ist, um auch mittlere Strecken rein elektrisch bewältigen zu können. Die Konzerne setzen auf die Technik, weil ihnen die EU vorschreibt, den durchschnittlichen CO2-Ausstoß ihrer Modellpalette bis 2015 auf 130 Gramm/km zu reduzieren. Da Plug-in-Hybride als Null-Emissionsfahrzeuge gelten, hat die Wirtschaft Interesse an dieser Technologie. Marktkenner erwarten, dass sich der Fahrzeugtyp zwar nicht zum Massen-, aber zum Breitenprodukt eignet.

Zweifel am Markt. Das Büro von Maria Vassilakou bat darum, Fragen zur Strategie für die Ladeinfrastruktur an die Planungsdirektion zu stellen. Dort erhielt „Die Presse“ keine Antwort.

Unerwartete Schützenhilfe gab es vom ÖAMTC. Nicht, dass die Interessensvertretung die Meinung der grünen Vizebürgermeisterin teilt, aber: „Wir sind der Auffassung, dass sich auch alternative Technologien marktwirtschaftlich durchsetzen müssen. Allzu viel öffentliches Geld in eine Infrastruktur zu investieren, von der man nicht weiß, ob man sie braucht, wäre falsch“, sagt Techniker Steffan Kerbl.

Dichtes Ladenetz punktet

Entscheidend für die Attraktivität einer Region für Autos mit vollständigem oder teilweisem Elektroantrieb ist die Dichte des Netzes von Ladestationen. Und deren Zugänglichkeit. Städte wie Berlin, Amsterdam und London platzieren Ladestationen im öffentlichen Raum. Immer mehr Carsharing-Anbieter fahren elektrisch. Wien fördert diese Technologie nicht. Stromtankstellen gibt es (fast) nur in Garagen.

In Zahlen

10Ladestationen
mit modernen Typ2-Steckern bietet Wien derzeit an. In Amsterdam sind es 135.

70Modelle
sogenannter Plug-in-Hybride bringen die großen Automobilhersteller bis 2015 auf den Markt. Damit soll der Elektroantrieb breitentauglich werden.

137Elektrofahrzeuge
sind derzeit in Wien angemeldet. In Vorarlberg sind es 396.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2013)

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