„Nur ein bisserl nachhaltig ist zu wenig“

Sozialprojekt Erdfarben Malkasten
Sozialprojekt Erdfarben Malkasten(c) Arge sozial produziert (Nadia Meister)
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Kooperationen. In der Zusammenarbeit von Unternehmen mit gemeinnützigen Organisationen wird der soziale Aspekt zunehmend um einen ökologischen erweitert. Diesbezüglich steht man aber noch ganz am Anfang.

Die Realisierung sozialer Belange mit ökologischem Hintergrund stecke in vielen Unternehmen noch in den Kinderschuhen, findet Friedrich Hinterberger, Geschäftsführer des Sustainable Europe Research Instituts SERI: „Bei sozialen Engagements im Bereich der Umwelt befinden wir uns heute noch auf dem Niveau der 1970er-Jahre. Es werden zwar – etwa bezüglich Kinderarbeit – Mindeststandards definiert, selten aber Ziele genannt, an deren Erreichung man sich dann messen kann.“

Doch es gibt Ausnahmen. Als Weg in die richtige Richtung kann beispielsweise die Initiative „Marktplatz der guten Geschäfte“ gelten, eine Art Tauschbörse zwischen gemeinnützigen Organisationen und Unternehmen, wo Ressourcen nicht monetären Charakters wie Kommunikation, Arbeitsmittel und Arbeitskraft gehandelt werden. Da werden Druckereileistungen gegen Erste-Hilfe-Kurse getauscht, oder Coaching-Stunden gegen die Benützung von Seminarräumen.

Verbindung zweier Welten

Diese Initiative rief die Bertelsmann-Stiftung 2007 ins Leben; inzwischen wurde sie im deutschsprachigen Raum in 120 „Marktplätzen“ umgesetzt. Die bislang sieben heimischen Projekte, die seit 2009 stattfanden, hatten „400 Kooperationen zwischen Unternehmen und NGOs im Gegenwert von 800.000 Euro zur Folge“, berichtet Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraising Verbandes Austria.

Wenn ein Sozialbetrieb, der bislang kunsthandwerkliche Arbeiten für Weihnachtsmärkte hergestellt hat, mit einem Unternehmen der Privatwirtschaft zwecks Besprechung neuer Produktentwicklungen zusammentrifft, könne es anfangs aber durchaus zu Verständigungsproblemen kommen, weiß Franz Rybaczek, Geschäftsführer des Kommunikationsnetzwerks Kommunitas. Als Vermittlungsinstanz sondiert Rybaczek seit geraumer Zeit, wie nachhaltige und regionale Produkte in Zusammenarbeit mit Sozialbetrieben entwickelt werden könnten.

Entsprechende Erfahrungen konnte er als Mitinitiator des Projekts „Erdfarben Malkasten“ im eigenen Unternehmen sammeln. Dabei werden die aus der Erde gewonnenen Farben in einer Schatulle aus österreichischem Pappelholz verpackt; produziert wird der Malkasten in der Emmausgemeinschaft St. Pölten, einem Verein zur Integration sozial benachteiligter Menschen. Die positiven Erfahrungen, die Kommunitas in den vergangenen Jahren im Rahmen der Zusammenarbeit mit Sozialbetrieben gesammelt hatte, veranlassten das Unternehmen, das Modell „Soziale Produktion“ ins Leben zu rufen, das nun gemeinsam mit dem Land Niederösterreich umgesetzt wird.

Soziale Verwertung statt Vernichtung

Beim niederösterreichischen Lebensmittelproduzenten Frisch & Frost löste man auf diese Weise vor allem ein ethisch relevantes Problem: Die vom Handel retournierten Tiefkühlprodukte, die das Ablaufdatum überschritten hatten, wurden bislang abgeholt und von der Verpackung getrennt, um dann in der hauseigenen Biogasanlage verbrannt zu werden. „Nun haben wir eine Kooperation mit der Trägerorganisation der niederösterreichischen Sozialmärkte (SAM NÖ) geschlossen, die über eine zentrale Kühleinrichtung verfügt und unsere Waren eigenständig nach Bedarf an Sozialmärkte in ganz Österreich liefert“, erklärt Johannes Schachel, Projektmanager bei Frisch & Frost. Bei der Realisierung des firmeninternen Nachhaltigkeitsberichts taten sich in der Folge weitere Kooperationsmöglichkeiten mit sozialen Produktionsbetrieben auf. „Etwa bei der Weiterverwendung des Altholzes unserer Transportkisten. In Holzwerkstätten von Sozialbetrieben sollen aus den Brettern neue Produkte wie Nistplätze für nützliche Insekten entstehen“, erzählt Geschäftsführer Gerfried Pichler. Durch die sozialen Initiativen des Unternehmens könnten bis auf Weiteres 15 bis 35 Sozialprojekte und deren Mitarbeiter im Bundesland Niederösterreich und Österreich beschäftigt oder mit Ausstattungsmaterialien beliefert werden.

Angesprochen auf den Aufwand, den solche Projekte nach sich ziehen, reagiert Pichler pragmatisch: „In der ökonomischen Betrachtung bringen solche Engagements, wenn man kurzfristig denkt, wenig. Wenn ich allerdings als Unternehmer nachhaltig agieren möchte, ist das eine Richtungsentscheidung, und dann kann ich das nur ordentlich oder gar nicht machen. Ein bisserl nachhaltig geht eben nicht.“

Auf einen Blick

„Soziale Produktion“ ist ein Modell der Firma Kommunitas, das seit 2008 gemeinsam mit dem Land Niederösterreich weiterentwickelt wurde und heute als „Leuchtturmprojekt der Österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie“ (Östrat) gilt.
Um eine ähnliche Initiative handelt es sich beim „Marktplatz der Guten Geschäfte“.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.sozial-produziert.at

www.gute-geschaefte.org

www.respact.at/Marktplatz

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2011)

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