Eine Erde ist dem Menschen zu wenig

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Unser ökologischer Fußabdruck übersteigt die Kapazität der Erde um 50 Prozent. Einen steigenden Druck gibt es auch auf die Wasserressourcen der Erde. Ein neuer Bericht des WWF bezeichnet die Lage als "dramatisch".

Der Mensch nutzt die Erde über Gebühr: Wir leben so, als hätten wir eineinhalb Erden zur Verfügung. Zu diesem Schluss kommt der Bericht „Living Planet Report 2012“, den die Umweltorganisation WWF Montagnacht veröffentlicht hat – und zwar in einer PR-trächtigen Art und Weise: Die neuesten Daten wurden von einem niederländischen Forscher bekannt gegeben, der derzeit auf der Internationalen Raumstation ISS in 380 Kilometer Höhe arbeitet.

In Zahlen: Jeder Mensch benötigt im Schnitt 2,7 Hektar Fläche, um sich mit Ressourcen zu versorgen und Abfälle loszuwerden („ökologischer Fußabdruck“). Weltweit stehen pro Person aber nur 1,8 Hektar zu Verfügung („Biokapazität“). Diese Zahlen beinhalten alle erneuerbaren Leistungen der Umwelt – also von der Lebensmittelproduktion über den Holzverbrauch bis hin zu den Fischgründen und dem bebauten Land. Der Verbrauch von fossilen Brennstoffen fließt nicht direkt ein, sehr wohl wird aber der CO2-Ausstoß berücksichtigt – und zwar als Fläche, die die Natur brauchte, um so viel CO2 zu binden, dass die Konzentration des Treibhausgases in der Luft nicht steigt.

Der Fußabdruck wächst

Der ökologische Fußabdruck ist in den verschiedenen Teilen der Welt sehr unterschiedlich: In Entwicklungsländern liegt er bei 1,14 Hektar pro Kopf – dieser Wert ist in den vergangenen fünf Jahrzehnten praktisch gleich geblieben, allerdings hat sich die Zahl der Menschen mehr als verfünffacht. Bewohner der Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien würden pro Person 1,92 Hektar brauchen, dieser Wert hat sich wegen des steigenden Lebensstandards zuletzt um 60 Prozent erhöht. Und in den Industrieländern liegt der Pro-Kopf-Fußabdruck bei 5,6 Hektar. Eine Zahl, die seit 40 Jahren konstant ist. In derselben Zeit ist die weltweite Biokapazität pro Kopf um 45 Prozent gesunken.

Österreich liegt mit einem Fußabdruck von 5,3 Hektar pro Kopf unter den 149 untersuchten Ländern an 17. Stelle. Spitzenreiter sind reiche arabische Länder, Dänemark und die USA (7,1 Hektar). Vorsichtigen Schätzungen des WWF zufolge wird die Menschheit im Jahr 2020 bereits zwei Erden benötigen, 2050 fast drei.

Einen steigenden Druck gibt es auch auf die Wasserressourcen der Erde. Der WWF hat erstmals die monatlichen Wasserbilanzen in den großen Flusseinzugsgebieten untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass 2,7 Milliarden Menschen zumindest einen Monat im Jahr unter Wassermangel leiden. 900 Millionen Menschen haben kein sauberes Trinkwasser.

Großen Raum im neuen WWF-Bericht nimmt die Biodiversität ein: Bei den 2688 untersuchten Tierarten beträgt der Rückgang der Artenvielfalt seit 1970 rund 30 Prozent. In tropischen Regionen ist die Biodiversität um durchschnittlich 60 Prozent gesunken, in tropischen Flüssen sogar um fast drei Viertel. Anders ist das in den nördlichen Industrieländern, also auch in Österreich: Hier hat sich die Artenvielfalt um 30 Prozent erhöht, weil Natur- und Umweltschutz zu besseren Lebensbedingungen für selten gewordene Arten geführt haben – man denke etwa an die Rückkehr von Bären, Wölfen oder Bibern – und wegen der Einschleppung von invasiven Arten aus anderen Weltgegenden.

Der Schluss des WWF aus dem Zahlenkonvolut ist nicht nur negativ: Zwar sei die Lage dramatisch, aber es sei dennoch möglich, dass im Jahr 2050 neun Milliarden Menschen genügend Nahrung, Energie und Wasser hätten, ohne die Tragfähigkeit der Erde über Gebühr zu strapazieren. Nötig dafür seien eine Erhöhung der Effizienz und Änderungen der Lebensweise. „Natur muss endlich einen Preis haben“, so der WWF.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2012)

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