Mitten im Siebenten: Geiselnahme

Unblutiges Ende. Ein Mann überfällt eine Bank auf der Mariahilfer Straße, nimmt mehrere Geiseln - wie in einem Fernsehkrimi.

Wien. "Es war eine High-Risk-Situation", sagt Oberstleutnant Gerhard Haimeder von der Kriminaldirektion 1. Fünf Stunden lang waren Einsatzkräfte der Wiener Polizei, der WEGA und der Cobra im Einsatz, um eine Geiselnahme nach einem Banküberfall in der Mariahilfer Straße in Neubau zu beenden. Ein 39-jähriger Wiener hatte die Bawag-Filiale überfallen und zunächst sieben Geiseln genommen. Schon kurz darauf waren Einsatzkräfte vor der Bank und verhandelten mit dem Geiselnehmer. Der wollte zunächst weder Geld noch sicheres Geleit, sondern nur Zigaretten und Getränke.

Nach und nach verhandelten die Kriminalbeamten eine Geisel nach der anderen heraus. Und doch stand die Situation mehrmals an der Kippe: Der Geiselnehmer zeigte zeitweise "atypisches Verhalten". Zusätzlich wurden die Verhandlungen mit dem Mann, der mit einer - wie sich später herausstellte - Plastikpistole bewaffnet war, durch unüberlegte Aktionen von Medienseite enorm gefährdet. So übertrug der Wiener Stadtsender Puls TV live Bilder von einem gegenüberliegenden Haus. Erst auf Ersuchen der Polizei änderte der Sender den Winkel der Kamera, um dem Täter nicht einen taktischen Vorteil zu verschaffen - immerhin könnte er von der Filiale aus beobachten, wie die Polizei vorgeht.

"Äußere Einflüsse verheerend"

Sicherheitstechnisch absolut unverantwortlich agierte dann noch ein Mitarbeiter der Boulevardzeitung "Österreich", der den Geiselnehmer in der Bank telefonisch kontaktierte. "Es ist verheerend, wenn Einflüsse von außen kommen", erklärt Gerhard Winkler von der Kriminaldirektion 1. In kritischen Fällen sollten nur Polizei und Psychologen eingreifen, alles andere könne zur Eskalation führen - der Täter könnte die Nerven weg schmeißen.

Vor Ort herrschte indes längst Stimmung wie vor dem Fernseher: "Sollen sie doch den Elsner gegen die Geiseln eintauschen", witzelte ein weißhaariger Herr im adretten Anzug, nur einer von Hunderten Schaulustigen. Um 13 Uhr kam auch noch prominenter Besuch in das Starbucks-Café in der Sperrzone: ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer und Bawag-Präsident Ewald Nowotny. "Sie wollen halt zeigen, dass sie für ihre Mitarbeiter da sind", so ein Polizist.

"Ba, Ba, Banküberfall"

Auch anwesend war eine Delegation des russischen Innenministeriums, die in Österreich Polizeitrainings besuchen soll - aus der Übung wurde eben ernst. Um 15 Uhr plötzlich Musik aus den offenen Fenstern einer Wohnung: "Ba, Ba, Banküberfall" von der EAV. Die Polizei fand das nicht witzig und schritt ein. Tatort meets Jahrmarkt, quasi.

Am Ende konnte die Polizei den fünfstündigen Einsatz aber doch unblutig beenden. Mit hoch erhobenen Händen - und nasser Hose - trat der Geiselnehmer vor die Bawag-Filiale, aus allen Richtungen eilten schwerst bewaffnete, maskierte und mit Schusswesten geschützte Polizisten herbei, zerrten den 39-Jährigen zu Boden - und führten ihn ab.

Beziehungsprobleme?

Ob der wegen Gewalt und Eigentumsdelikten vorbestrafte und als arbeitslos gemeldete Günther B. von Anfang an eine Geiselnahme geplant hatte, ist noch unklar. Fest steht, so die Polizei, dass die Beziehung des Geiselnehmers mit seiner Partnerin erst kürzlich zu Ende gegangen sei. Zudem sei er am Vorabend "wahrscheinlich mit Freunden versumpft." Vermutlich habe er auch finanzielle Probleme. Ihm drohen nun, je nach Schwere der Anklage - von versuchtem Raub bis zu erpresserischer Entführung - bis zu 20 Jahre Haft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2007)

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