Mobilität: Frauen als „Freiwild“?

(c) FABRY Clemens
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Forscherinnen gehen der These nach, dass Frauen auf ihren täglichen Wegen häufig Opfer von Übergriffen werden. Laut Studienzwischenstand vor allem in U-Bahn- und Taxi.

Wien. Eigentlich wollte D. mit ihren Freundinnen nur einen unterhaltsamen Abend in der Wiener Innenstadt verbringen. In Erinnerung blieb der jungen Frau jedoch nicht der gemeinsame Abend, sondern die Taxifahrt nach Hause. Der Lenker kam ihr nämlich näher, als ihr lieb war. Deutlich näher, wenn auch nur verbal. Seither überlegt sie sich vor dem Ausgehen zwei Mal, wie sie denn abends am besten wieder nach Hause kommt. Ein Einzelfall?

Am Institut für Verkehrswesen der Universität für Bodenkultur will man nicht so recht daran glauben. Seit drei Monaten läuft dort ein Forschungsprojekt das der Frage nachgeht, ob, und wenn ja wie, Frauen die Angst vor dem Alltagsverkehr in ihrer Mobilität einschränkt. Auch wenn die Arbeiten zur Studie, die im Rahmen einer Masterarbeit stattfindet, noch bis Frühling 2013 dauern werden: Ergebnisse zeichnen sich bereits ab.

„Es scheint so zu sein, dass wir von einem echten Problem sprechen können“, sagt Boku-Mitarbeiterin Juliane Stark, die, gemeinsam mit ihrem Kollegen Michael Meschik, die Forschungsarbeit einer ihrer Studentinnen betreut. Ungeklärt bleiben wird vermutlich, wie viele Frauen Opfer von Übergriffen im Rahmen ihrer Mobilität werden. Der Aufwand, dies repräsentativ für die Gesamtbevölkerung zu erheben, wäre zu groß und zu teuer gewesen. Dabei betreten die Wissenschaftler mit der Untersuchung Neuland. Vorarbeiten zum Thema sind praktisch nicht vorhanden.

Trotzdem: Über die Homepage der Universität, via Mundpropaganda und mithilfe sozialer Medien wie Facebook suchte man nach Betroffenen, die bereit waren, sich anonymisierten Tiefeninterviews zu stellen. Bisher erklärten sich dazu trotz des tabubesetzten Themas immerhin 20 Frauen aller Altersgruppen bereit. Interessentinnen können unter der E-Mail-Adresse h85600_interview@boku.ac.at Kontakt zu den Forscherinnen aufnehmen. Vertraulichkeit wird garantiert.

Bei fast allen dokumentierten Übergriffen handelte es sich um sexuelle Belästigung. Und immer fanden sie in der Stadt statt. Häufig handelte es sich dabei um Exhibitionisten oder Personen, die die Frauen in rüdem Ton ansprachen. Das Täterbild, das sich herauskristallisiert, entspricht dem Klischee: männlich, 50 Jahre oder älter und oft alkoholisiert.

Gesucht: Präventionsmaßnahmen

Bei der bisherigen Auswertung ist auffallend, dass Frauen, die zu Fuß gehen oder mit Auto oder Fahrrad unterwegs sind, nur sehr selten Opfer solcher Handlungen werden.

Kann dabei der nur lose Kontakt mit anderen Verkehrsteilnehmern oder die Isoliertheit des eigenen Pkw noch als Schutz dienen, scheinen Autos von Fremden das Risiko zu potenzieren, denn: Neben Zügen der U-Bahn und Haltestellenbereichen von Bus und Straßenbahn waren es vor allem Taxis, in denen es zu Übergriffen kam. Und stets waren es Fahrzeuge, die nicht via Zentrale gerufen, sondern von der Straße herbeigewinkt wurden.

Boku-Mitarbeiterin Stark glaubt, dass dies den betroffenen Lenkern ermögliche, in die Anonymität abzutauchen. Immerhin sind telefonisch bestellte Fahrten zentral registriert, spontan herbeigerufene Fahrer nicht. Diese nutzten offenbar die Gelegenheit, den eigentlich sichtbar im Fahrzeug anzubringenden Lenkerausweis verschwinden zu lassen. Michael Meschik, neben Stark der zweite Betreuer der Arbeit, erhofft sich von den Ergebnissen Basiswissen für Maßnahmen. „Zum Beispiel, um Strategien zu entwickeln, dass derartige Zwischenfälle möglichst verhindert werden können.“

Ist es nämlich einmal passiert, ist das Mobilitätsverhalten der Betroffenen oft durch unsichtbare Grenzen eingeschränkt. Ganz wenige verzichten völlig auf das Verkehrsmittel, in dem der Übergriff stattfand. Allerdings verlieren die meisten ihr subjektives Sicherheitsempfinden und setzen Maßnahmen. Das reicht von ständiger Griffbereitschaft des Handys über die Taktik, nicht mehr allein auf die Straße zu gehen bis dazu, sich zu bewaffnen. Die einfachste Strategie, zu der die meisten griffen, war: sich in Bus, U- und Straßenbahn immer möglichst in der Nähe des Lenkers aufzuhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2012)

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