Olivers Vater plädiert auf „nicht schuldig“

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Unter großem Medieninteresse erschien Thomas Sörensen vor Gericht. Er hatte Anfang April seinen fünfjährigen Sohn vor dessen Kindergarten in Graz der Mutter abgenommen und nach Dänemark gebracht.

Graz. Marion Weilharter, die Mutter von Oliver, war schon eine halbe Stunde vor Prozessbeginn am Landesgericht Graz eingetroffen. Minutenlang waren die zahlreichen Kameralinsen und Mikrofone der Fotografen und Journalisten auf die Grazerin gerichtet. Und dann, kurz vor zehn Uhr, wenige Minuten vor Prozessbeginn, stand sie fast allein vor dem Verhandlungszimmer drei. Kameraleute und Journalisten hatten ein neues Motiv: Thomas Sörensen, den Vater von Oliver.

Der Däne schritt an der Seite seiner Anwältin den Gang entlang, seine Lippen waren zu einem freundlichen Lächeln geformt. Auch zwei Vertreter der dänischen Botschaft waren da. Kommentar werde er vor dem Prozess keinen abgeben, sagte seine Anwältin. Ihm wurde freies Geleit zugesichert. Sörensen muss sich im Prozess vor dem Landesgericht Graz wegen schwerer Nötigung und Freiheitsentziehung verantworten. Er hatte am 3. April 2012 seinen fünfjährigen Sohn vor dem Grazer Kindergarten mithilfe eines Komplizen der Mutter abgenommen und nach Dänemark gebracht.

Vergangenen Freitag hat ein dänisches Bezirksgericht in Helsingör gegen die von der Mutter angestrengte Rückführung des Buben nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen entschieden. Die Chronologie des als „Fall Oliver“ bekannt gewordenen Sorgerechtsstreits ist lange (siehe unten stehenden Artikel). Die dänischen Gerichte sehen die Obsorge beim Vater, die österreichischen bei der Mutter. „Aber es wird hier sicher nicht das Obsorgeverfahren geführt“, stellte Staatsanwältin Gertraud Pichler in ihrem Eröffnungsplädoyer klar.

Der Vater sieht sich jedenfalls im Recht, er plädierte auf nicht schuldig. Ein weiterer Verbleib in Graz, wo Oliver seit 2010 mit seiner Mutter gelebt hat, hätte eine Gefahr für das Wohl seines Kindes dargestellt. Wann er den Entschluss gefasst habe, Oliver gemeinsam mit einem Komplizen am 3.April nach Dänemark zu bringen, wollte Richter Günter Sprinzl wissen. „Ungefähr einen Monat davor“, antwortet Sörensen auf Dänisch. Eine Dolmetscherin übersetzte.

Nach Befragung durch Richter und Staatsanwältin blieben Fragen offen. Zum Beispiel: Wer war jener Komplize, der dem Vater geholfen hat, Oliver nach Dänemark zu bringen? Oder: Was hat Sörensen in Graz gemacht, als er sich mehrmals tageweise im Laufe des März 2012 in der steirischen Landeshauptstadt aufgehalten hat? „Dazu möchte ich nichts sagen“, so Sörensen. „Es spricht nicht für Sie, wenn Sie diese Fragen nicht beantworten“ sagte der Richter.

Zu dem Vorfall am Morgen des 3.April wurde am Dienstagvormittag eine weitere Zeugin befragt. Beim Verlassen der Kinderkrippe habe sie ein Kind schreien gehört. „Ich habe mir gedacht, da will heute ein Kind aber nicht in die Krippe“, erinnerte sich die Frau. Dann habe sie ein Auto mit quietschenden Reifen davonrasen und die Mutter schreien gehört: „Mein Kind ist entführt worden.“ Der Darstellung der Mutter, sie sei unter Gewaltanwendung vom Komplizen festgehalten worden, widersprach Sörensen. Zudem habe sich Oliver sehr gefreut, ihn zu sehen. Erst als die Mutter geschrien habe, habe auch Oliver zu weinen begonnen. Wie es Oliver zur Zeit gehe, wollte der Richter wissen.

Überraschendes Ende

„Oliver ist ein fröhliches Kind“, antwortete der Angeklagte. Es gibt allerdings ein Gutachten, das auf einer Videoaufnahme des letzten Aufeinandertreffens von Mutter und Sohn basiert. Dieses kommt zum Schluss, dass die „psychische Situation des Kindes schlecht ist“. Anzumerken ist, dass das Gutachten vonseiten der Mutter in Auftrag gegeben wurde. Der Bub selbst wurde bisher nicht befragt.

Nach gut einer Stunde vertagte der Richter überraschend die Verhandlung auf heute, Mittwoch. Seine Begründung: Er habe weitere Verhandlungen zu führen. Befragt wird die Mutter, danach soll das Urteil verkündet werden. Im Falle eines Schuldspruchs droht dem Vater eine Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Monaten bis fünf Jahren. „Fakt ist aber, dass dieses Urteil wohl auf die Rückkehr meines Sohnes nach Österreich kaum Einfluss haben wird“, sagte Weilharter nach der Vertagung.

Auf einen Blick

Sorgerecht. Zur Grazer Gerichtsverhandlung im Fall Oliver (5) ist am Dienstag überraschend der dänische Vater des Buben, Thomas Sörensen, aufgetaucht. Er muss sich vor Gericht wegen schwerer Nötigung und Freiheitsentzug verantworten. Anfang April hat Sörensen seinen fünfjährigen Sohn der Mutter abgenommen und nach Dänemark gebracht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2012)

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