Salzburg-Finanzflopp in Wien möglich? Eher nein

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Franken-Kredite, Cross Border Leasing und die AVZ-Stiftung. Umstrittene Finanzierungen in Wien. Die Opposition drängt massiv darauf, alles auf den Tisch zu legen, was spekulative Geschäfte betrifft.

Wien. Immer neue Fakten über die Größe und Auswirkungen der Spekulationsverluste in Salzburg lassen auch in anderen Kommunen die Alarmglocken schrillen. So auch in Wien, wo die Opposition jetzt massiv darauf drängt, alles auf den Tisch zu legen, was spekulative Geschäfte betrifft.

„Wenn ich höre, was in Salzburg alles möglich war, frage ich mich: Gibt es auch Geschäfte in Wien, von denen wir nichts wissen – und von denen vielleicht auch Stadträtin Renate Brauner nichts weiß?“, sagt VP-Gemeinderat Alexander Neuhuber, der dies in einer der nächsten Gemeinderatssitzungen zum Thema machen will.

Laut Brauner sind in Wien derartige Spekulationsgeschäfte „nach menschlichem Ermessen nicht möglich“. Denn in Wien gebe es strenge Richtlinien und das Sechs-Augen-Prinzip beim Abschluss von Verträgen. Grundsätzlich wird im Brauner-Ressort betont, dass es in Wien „keine Ermächtigung für die Finanzverwaltung zum Abschluss von Derivatgeschäften gibt“.

Wien mache keine Derivatgeschäfte, und auch keine Absicherungsgeschäfte. Man nutze direkte Finanzierungen bei Kreditinstituten und der Bundesfinanzierungsagentur, wird betont. Bei ausgelagerten Institutionen wie Wien Energie soll es dagegen noch Termingeschäfte zur Finanzierungsabsicherung geben.

Die Kreditaufnahme in Fremdwährung, konkret dem Franken, hat der Stadt Probleme gebracht. Fast die Hälfte der städtischen Darlehen (Schuldenstand 2011: Vier Milliarden) läuft in Franken. Und dessen Kurs ist in den letzten Jahren drastisch gesunken. Im Sommer 2011 hat Brauner daher beschlossen, auf unbestimmte Zeit keine Kredite in Franken aufzunehmen. Dennoch ist durch den Euroverfall ein Verlust von etwa 200 Mio. Euro entstanden – für Brauner nur ein Buchverlust. Tatsächlich ist auch die Opposition nicht dafür, den Franken jetzt zu konvertieren, um möglichen weiteren Verlusten zu begegnen. „Das ergibt derzeit überhaupt keinen Sinn“, sagt auch VP-Neuhuber. „Wir wollen aber genau wissen, mit welchen Instrumenten der Franken abgesichert ist.“

Eine weitere von der Stadt praktizierte Finanzierungsmethode ist das Cross Border Leasing, das in den Neunziger-/Nuller-Jahren von zahlreichen Kommunen, nicht nur in Österreich, gerne angewendet wurde. Das verläuft so: Die Stadt verpachtet öffentliche Einrichtungen – Teile der Wiener U-Bahn oder des Kanalsystems etc. – an US-Investoren, und least diese wieder zurück. Durch die Ausnutzung eines Steuerschlupflochs kommen die Investoren zu Steuergewinnen; diese werden zwischen Stadt und Investor geteilt. Seit 2003 haben die USA per Gesetz das Schlupfloch geschlossen. Aber einige Verträge laufen noch immer.

„Finanzspekulant Häupl“

Stärkste Kritiker an dem System waren damals die Grünen. Noch im November 2009 schrieb der grüne Wirtschaftssprecher Martin Margulies in einer Aussendung über das Cross Border Leasing: „Häupl agiert im Stil übelster Finanzspekulanten.“ Heute sitzt Margulies in einer Koalitionsregierung mit der SPÖ und sieht das Problem etwas anders. „Das ist kein Thema mehr. Seit 2003 gibt es keine neuen Geschäfte und Wien ist auch aus einigen laufenden Geschäften ausgestiegen – mit einem kleinen Plus.“

Und die drei verbleibenden Cross-Border-Leasing-Deals, einer mit Wienkanal und zwei mit der Müllabfuhr, seien gut abgesichert. „Unsere Kritik an CBL war damals, dass die Stadt Wien solche Geschäfte, die Steuerhinterziehung in den USA fördern, überhaupt abgeschlossen hat. An dieser Kritik halte ich heute noch fest“, so Margulies.

Dauerthema bei fragwürdigen Finanzgeschäften ist auch die AVZ-Stiftung. Diese verwaltet die Bankbeteiligung der Stadt. Einst war die Stadt Eigentümer der Länderbank, die zur Bank Austria wurde. Mittlerweile ist die Bank Teil der UniCredit und das von der AVZ verwaltete Aktienpaket ist vom Kurs der italienischen Großbank abhängig. Dessen Wert, der zu Jahresanfang auf rund 150 Mio. Euro gerutscht ist, beträgt mittlerweile wieder an die 300 Mio. Die Kritik der Opposition: Durch ungeschickte Finanzgeschäfte sei Geld verschleudert worden. Außerdem sei es durch die Schaffung einer Stiftung der Stadt entzogen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2012)

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