Generationen: Wie die Jungen von den Älteren leben

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Junge Erwachsene sind heute länger denn je von ihren Eltern abhängig. Vom Studium über die eigene Wohnung bis zu Berufseinstieg und Kinderbetreuung: Die ältere Generation ist großzügig.

Wien] Es ist nichts, worauf man stolz ist. Endlich erwachsen, den Teenagerjahren entkommen, will man unabhängig sein, ausziehen, auf eigenen Beinen stehen. Und trotzdem braucht man sie immer noch: die Eltern. Die einem hie und da einen Hunderter zustecken – oder gleich das WG-Zimmer finanzieren. Ohne die der Traum von der eigenen Wohnung oft nicht realisierbar wäre. Keine Frage, den viel zitierten Generationenkonflikt gibt es oft allein schon deswegen nicht, weil Junge ihre Elterngeneration in vielerlei Hinsicht brauchen, oft jahrzehntelang.

1 Die Mehrheit der Studenten bekommt von den Eltern Geld


Gerade wenn die Berufsausbildung länger dauert, sind junge Erwachsene finanziell oft jahrelang auf ihre Eltern angewiesen. Zwar arbeitet jeder zweite Student (47 Prozent) der aktuellen Studierendensozialerhebung zufolge während des Semesters. Diese Einnahmen – die Mehrheit verdient weniger als 400 Euro  monatlich – dürften die Ausgaben nicht immer decken. Studenten, die schlecht bezahlte Praktika absolvieren, sind erst recht auf die Eltern angewiesen. So wird deren Hilfe als eine der bedeutendsten Einnahmequelle (neben dem eigenen Job) genannt: 61 Prozent der Studenten geben an, von den Eltern finanziell unterstützt zu werden. Im Schnitt erhalten sie im Monat 360 Euro, in vielen Fällen ist darin freilich die staatliche Familienbeihilfe inkludiert.

2 Schneller Berufseinstieg oder Generation Praktikum?


Studium oder Ausbildung sind fertig – Unabhängigkeit bleibt oft ein Traum: Die viel zitierte „Generation Praktikum“ kommt trotz bester Bildung nicht von den Eltern los, stolpert von Volontariat ins schlecht bezahlte Trainee-Programm. Der Statistik Austria zufolge brauchen 15- bis 34-Jährige im Schnitt neun Monate, bis sie nach Ausbildungs- oder Studienende einen Job finden. Jeder Vierte steigt parallel zur Ausbildung in die Berufswelt ein. Eine andere Erhebung (Arufa-Studie) ergibt, dass 68 Prozent der Jungakademiker innerhalb von zwei bis sechs Jahren einen Job finden.

3 Mühsamer Abschied von zu Hause: Auszugsalter steigt tendenziell


Werkverträge, Praktika und freie Dienstverträge: Auch das erklärt wohl die gute Buchungslage im „Hotel Mama“: 16 Prozent der Männer und sechs Prozent der Frauen haben mit 30 Jahren noch nie von den Eltern getrennt gelebt. Im Europa-Vergleich werden Österreicher aber eher früh flügge: Durchschnittlich ziehen junge Männer in Österreich mit 21,8 Jahren, Frauen mit 19,9 Jahren aus – das geht aus einer Publikation des Österreichischen Instituts für Familienforschung (Öif) hervor. „Es ist normal geworden, dass man bis Mitte 20 bei den Eltern wohnt“, sagt Jugendforscher Philipp Ikrath. Mit 25 leben ihm zufolge etwa drei Viertel der Männer zuhause, aber nur die Hälfte der Frauen. Das habe nicht nur ökonomische Gründe: „Vor dem Hintergrund des entschärften Generationenkonflikts wird das Ausziehen aus dem Elternhaus nicht mehr als Symbol der Freiheit gesehen, sondern eher als mühsam empfunden.“

4 Immaterielle Hilfe: 40 Prozent der Großeltern helfen regelmäßig


Die Hilfe bei der Kinderbetreuung durch Großeltern sei für junge Erwachsene „überhaupt die wichtigste Unterstützung“, sagt Markus Kaindl vom Öif. Aus seiner Studie „Wie Großeltern die Kinder und Enkelkinder unterstützen“ geht hervor, dass 40 Prozent der österreichischen Großeltern bei der Betreuung der Enkel helfen, zehn Prozent davon jeden Tag, 14 Prozent wöchentlich. Wenn die eigenen Eltern in der Nähe leben, erhöht das Studien zufolge sogar den Kinderwunsch, sagt Kaindl.

Je näher die Großeltern bei ihren Kindern leben und je jünger sie sind, umso mehr engagieren sie sich bei der Betreuung. Großeltern unterstützen die Familie ihrer Kinder aber oft auch finanziell: Krisen wie Scheidungen spielen dabei kaum eine Rolle, die Großeltern zeigen sich typischerweise bei Familienereignissen wie Geburten großzügig. 17 Prozent der Großeltern helfen ihren Kindern zudem regelmäßig  mit Geld aus.

5 Arbeiten fürs eigene Vermögen? Wer erbt, ist ohnehin abgesichert

Österreich dürfte in den nächsten Jahren einen Erbschaftsboom erleben – vor allem bei Immobilien. Zu diesem Ergebnis ist Ende 2012 eine GfK-Studie im Auftrag der Raiffeisen Bausparkassen gekommen. Heutige Jugendliche und junge Erwachsene macht das – hoffentlich! – aber erst viel später in ihrem Leben zur „Generation Erben“: Im Alter von 45 bis 65 ist es am wahrscheinlichsten zu erben. Die Erbschaftswelle tauge nur bedingt zur Absicherung breiter Bevölkerungsgruppen, heißt es. Schließlich wird später vererbt, im Schnitt teilen drei Erben ein Vermögen. Eine frühere GfK-Erhebung hat ergeben, dass jemand, der erbt, statistisch erwartet, dass ihm seine Liebsten knapp 80.000 Euro hinterlassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2013)

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