Kassen finanzieren Schwarzmarkt für Ersatzdrogen

Kassen finanzieren Schwarzmarkt fuer
Kassen finanzieren Schwarzmarkt fuer(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Ärzte verschreiben laut Buchführung der Kassen unverhältnismäßig hohe Dosen von Morphinpräparaten. Erhebliche Mengen werden abgezweigt.

Wien. Geordnete Einnahme von Medikamenten statt Straßenheroin aus fragwürdiger Quelle: Das ist eines der Ziele der Drogenersatztherapie, der sogenannten Substitution. Die Behandlung hat jedoch auch Schattenseiten. Erhebliche Mengen der von Ärzten verschriebenen Medikamente werden abgezweigt, landen mit großem Gewinn auf dem Schwarzmarkt – und sorgen dort regelmäßig für Tote.

Recherchen erlauben nun einen Blick auf die mögliche Quelle des Stoffs. Aus den internen Büchern der Krankenkassen ergibt sich, dass Ärzte unverhältnismäßig hohe Dosen des Problemmedikaments Nummer eins verschreiben. Dosen, die in Relation zu anderen in der Substitution eingesetzten Präparaten mehr als doppelt so hoch sind, als es die Lehrbücher empfehlen.

16.782 von 34.000 Heroinsüchtigen sind in Ersatztherapie. 3638 Patienten bekommen Methadon, 3444 erhalten Medikamente mit dem Wirkstoff Buprenorphin. 561 nehmen eher seltene Substanzen, und 9139 sind auf die Morphinpräparate Substitol und Compensan eingestellt. Jene Medikamente, die häufig auf dem Schwarzmarkt landen. So verschrieben die substituierenden Ärzte im aktuellsten vorliegenden Berichtsjahr 2011 laut zentraler Abrechnung 1868,46 Kilogramm reines Morphin. In den Büchern ist jede einzelne Kapsel dokumentiert. Im Berichtszeitraum waren es 9.444.050.

Alle zur Verfügung stehenden Medikamente werden nach Grad der Abhängigkeit, Entzugserscheinungen und individueller Opiattoleranz dosiert. Ihre Wirkung ist unterschiedlich stark. Laut einer Publikation der Suchtmedizinerin Gabriele Fischer ist Buprenorphin 30 bis 60 Mal stärker als Morphin. In einer Ausbildungsunterlage der Wiener Ärztekammer für substituierende Ärzte entspricht ein Milligramm Buprenorphin 50 Milligramm Morphin. In der zentralen Buchführung der Kassen über alle in Österreich verrechneten Rezepte ergibt sich jedoch ein Verhältnis von 1:100. Die verordneten Morphindosen sind also doppelt so hoch, wie sie eigentlich sein sollten. Ist das die Erklärung dafür, warum regelmäßig Ärzte wegen allzu freizügiger Verschreibepraxis von Ersatzdrogen vor Gericht landen?

Jedem Drogenpatienten bezahlten Österreichs Kassen 2011 täglich entweder 5,6 Milligramm Buprenorphin (Medikament: Suboxone) oder 560 Milligramm Morphin. Nach Auskunft von Medizinern sind das eher niedrige Tagesdosen. Statistiker erklären sich das damit, dass die Zahl der Patienten (16.782) höher ist als die Summe jener, die dauerhaft an der Substitution teilnehmen. In der Statistik scheinen nämlich auch jene auf, die die Therapie abbrechen. Die Abbruchquote beträgt laut Studien zehn bis 20 Prozent. Das erkläre einerseits den niedrigen Durchschnittswert, habe andererseits jedoch keinen Einfluss auf das Missverhältnis der Dosierung zwischen den beiden Präparaten.

„Patienten nicht vergleichbar“

Ein Missverhältnis, das der Referatsleiter für substituierende Ärzte in der Wiener Ärztekammer, Hans Haltmayer, anders interpretiert. Er glaubt nicht an eine systematische Überversorgung der Süchtigen und sagt: „Jene Patienten, die Morphin bekommen, haben tendenziell schwerere Suchterkrankungen als jene, die auf Buprenorphin eingestellt sind. Daher bekommen sie auch höhere Dosen.“ Es handle sich daher um Patientengruppen, die man nicht miteinander vergleichen könne. Um aussagekräftige Zahlen zum Missverhältnis der Dosierung zu erhalten, müsse man Substituierte untersuchen, die Erfahrungen mit beiden Heroinersatzstoffen haben.

Ein ranghoher Drogenfahnder der Polizei sieht seine Beobachtungen aus dem Alltag jedoch gedeckt: „Im Osten Österreichs waren die Dosierungen deutlich höher als in den Bundesländern. Viele Abhängige haben das Bestreben, hohe Dosierungen zu bekommen. Die eine Hälfte benötigen sie für sich selbst, die andere wird verkauft.“

Auch dazu gibt es Zahlen. Die interne Substitutionsstatistik der Wiener MA15 (Gesundheit) weist für 2012 Tagesdosen von 731 (Substitol) und 741 Milligramm (Compensan) aus. Das ist um 30 Prozent mehr, als die Krankenkassen im Schnitt pro Patienten abrechnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2013)

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