Terror: Österreich, Land der Schläfer und Financiers

Terror Österreich Schlaefer
Terror Österreich Schlaefer(c) APA (Robert Jaeger)
  • Drucken

Experten zufolge ist die Republik kein primäres Anschlagsziel. Sehr wohl diene das Land jedoch als Logistikdrehscheibe für al-Qaida und verbündete Organisationen.

Wien. Das Bombenattentat von Boston und die öffentliche „Hinrichtung“ eines britischen Soldaten auf offener Straße in London brachten die Bedrohung durch den internationalen Jihadismus wieder ins öffentliche Bewusstsein. Doch wie wahrscheinlich sind derartige Attentate in Österreich? Eine Frage, der sich am Montag das Austrian Center for Law Enforcement Sciences (ALES) der Uni Wien im Rahmen einer Tagung widmete. Das (stark vereinfachte) Fazit des Expertentreffens lautet: Terroranschläge in der Qualität der beiden genannten seien hierzulande zwar nicht ausgeschlossen – aber doch eher unwahrscheinlich.

Dennoch käme der Republik in den Netzwerken der islamistischen Gotteskrieger eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Erlangte das kleine, neutrale und in Europa zentral gelegene Land in den vergangenen Jahren den zweifelhaften Ruf einer logistischen Drehscheibe für al-Qaida und ideologisch verwandte Organisationen? Ja, meint Wolfgang Würz. Bis vor einem Jahr leitete der 59-Jährige die Abteilung „Internationaler islamistischer Terrorismus“ im deutschen Bundeskriminalamt (BKA). Er beruft sich dabei auf Auslandsanalysen seines ehemaligen Dienstgebers und des deutschen Verfassungsschutzes. Deren Erkenntnisse würden „die Existenz islamistisch-terroristischer Täter- und Unterstützerstrukturen in Österreich belegen“, sagt Würz. Diese Kreise, insbesondere das Netzwerk rund um den in der Türkei inhaftierten Islamisten Mohammed Mahmoud, seien innerhalb des Schengen-Raumes mit anderen Gefährdern gut vernetzt. „Österreich ist für sie ein Ruhe- und Rückzugsraum.“ Deshalb dürfte man die Bedeutung des Landes für die internationalen Organisationen nicht unterschätzen. Schon die gemeinsame Sprache mache Österreich mit Deutschland aus Sicht der al-Qaida zu einem Aktionsgebiet.

Drehscheibe für Agitatoren

Ebenfalls hebt er die guten Kontakte der österreichischen Szene in Richtung Balkan hervor. Laut „Presse“-Informationen aus nachrichtendienstlichen Kreisen gilt vor allem Wien als Drehscheibe für jene Agitatoren, die den Konflikt zwischen Moslems und Serben am Köcheln halten. Sei es mit Personal, sei es mit Geld.

Eine Form der Unterstützung, mit der sich auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) beschäftigt. Immer wieder erhält der Staatsschutz Hinweise auf Rekrutierungen noch auszubildender Kämpfer, sowie Tätigkeiten der finanziellen Unterstützung. Erst vor zwei Jahren wurden mehrere Personen in einer spektakulären Aktion kurz vor ihrem Abflug in ein Ausbildungslager festgenommen.

Die Verfolgung der hiesigen Financiers von al-Qaida und Co. bezeichnet ein ranghoher Staatsschützer jedoch als „schwierig“. Zwar erlange das BVT immer wieder Hinweise auf verdächtige Geldflüsse von Österreich in den arabischen Raum, allerdings verlange die Justiz für eine Verfolgung konkrete Angaben, für welche Straftat die Mittel eingesetzt würden. „Über derart detaillierte Informationen verfügt nicht einmal der israelische Mossad“, so der BVT-Mann. Eine Reihe von Ermittlungen musste deshalb schon eingestellt werden.

Die Größenordnung der finanziellen Unterstützung, mit der die Jihadisten aus Österreich rechnen können, geht nach Staatsschutzerkenntnissen jedoch nicht in die Millionen. Allerdings könnte man in Somalia, Afghanistan oder Pakistan schon mit wenigen tausend Euro Waffen und Ausrüstung im relevanten Ausmaß beschaffen.

Österreicher kämpfen in Syrien

Am Rande der Tagung hat Peter Gridling, Direktor des BVT, am Montag auch bestätigt, was „Die Presse“ bereits im April berichtete: Österreicher beteiligen sich an Kämpfen in Syrien. Eine genaue Anzahl der Kämpfenden wollte Gridling weiter nicht nennen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte in einer ersten Reaktion im April noch „in keinster Weise“ bestätigen wollte, dass, wie damals berichtet, 60 Jihadisten aus Österreich stammen. Doch schon damals stellte das BVT klar, dass die Information an sich nicht falsch sei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.