Warum der Staat für unklare Gesetze nicht haftet

Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk
Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Wirt klagt die Republik, weil ihn Beamte schlecht berieten. Das ist rechtliches Neuland. Doch die Amtshaftung ist strikt limitiert. Jurist Funk denkt strengere Regeln an.

Wien. „Sehr gering bis gegen null.“ So beurteilt Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk die Chancen eines Wiener Wirts, der wegen einer einstigen Rechtsauskunft des Gesundheitsministeriums die Republik klagt. 2008, so der Wirt, hätten Beamte erklärt, dass es rechtlich kein Problem ist, wenn Nichtraucher beim Gang zum WC durch den Raucherbereich müssen. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) entschied aber inzwischen, dass das Gesetz Nichtraucher auch auf dem Weg zur Toilette vor Qualm schützt.

Der Gastronom klagt die Republik nun auf Amtshaftung und will die Umbaukosten für sein Lokal vom Staat ersetzt bekommen. Der Anwalt des Wirts, Wolfgang Zorn, beurteilt die Klagschancen als sehr gut. Denn die Beamten hätten bei ihrer schriftlichen Auskunft nicht erklärt, dass andere Rechtsmeinungen möglich wären. Der VwGH habe im Urteil aber gesagt, dass nur seine Interpretation denkbar ist.

Höchstgericht ist unantastbar

Doch Amtshaftung gibt es bloß, wenn Staatsorgane rechtswidrig und schuldhaft handeln. Der Ministeriumsbeamte habe 2008 aber nicht wissen können, wie der VwGH entscheidet, so Funk zur „Presse“. Anders wäre der Fall, wenn ein Beamter die Auskunft gegeben hätte, obwohl es bereits ein gegenteiliges Urteil gibt. Dann würde die Amtshaftung schlagend werden, so Funk. Auf den ersten Blick geht die Amtshaftung weit, neben der Verwaltung ist auch die Justiz nicht sakrosankt. Erlässt ein Richter etwa keine einstweilige Verfügung, obwohl diese dringend nötig wäre, haftet laut Funk der Staat, wenn ein Schaden entsteht. Jedoch: Unantastbar sind in Österreich Entscheidungen der Höchstgerichte wie des VwGH.

Nicht klagen kann man auch Politiker, weil sie ein Gesetz unklar geschrieben haben. Das ergibt sich indirekt aus der Verfassung, weil laut dieser Amtshaftungsklagen nur möglich sind, wenn jemand „in Vollziehung der Gesetze“ geschädigt wurde. Parlamentarier vollziehen aber keine Gesetze, sie machen sie nur. Auch wenn ein Gesetz von der Regierung (also der Exekutive) entworfen wurde, kann man nicht klagen. Denn verantwortlich für den Beschluss bleibt das Parlament allein. Historisch geht die Immunität der Legislative auf die Zeit der konstitutionellen Monarchie zurück. Damals stand hinter jedem Gesetz auch der Kaiser, und dieser könne nie irren, so die Grundidee.

Wer ein Gesetz problematisch findet, kann es zwar vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) anfechten. Damit erreicht man aber nur, dass das Gesetz aufgehoben und im Anlassfall nicht angewandt wird. Eine Haftung des Staats für die Kosten, die das rechtswidrige Gesetz ausgelöst hat, ist nicht vorgesehen.

Experte für strengere Haftung

Doch eine Ausnahme gibt es für all diese Regeln, und dafür sorgt die EU. Wenn ein Staat eine EU-Vorschrift nicht umsetzt und ein Bürger deswegen einen Schaden erleidet, muss die Republik einstehen. Eine Haftung des Staats besteht sogar, wenn ein heimisches Höchstgericht einen EU-rechtlichen Fehler macht. Etwa, indem es den EU-Gerichtshof in einer Causa nicht zur Vorabentscheidung anruft, obwohl dies nötig wäre. Das letzte Wort haben hier die EU-Richter in Luxemburg.

Experte Funk denkt aber auch auf nationaler Ebene strengere Regeln an. Wenn ein Gesetz vom VfGH gekippt wird, solle der Staat die durch das rechtswidrige Gesetz entstandenen Kosten ersetzen, meint Funk. Freilich nur gegenüber jenen, die die Norm angefochten haben. Der Professor hofft, dass die „schlampige Gesetzgebungspraxis“ durch das Haftungsszenario ein Ende finden würde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2013)

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