Schubhaft: Staatliche Gefangene, privat "betreut"

Archivbild: Eine Zelle im Polizeianhaltezentrum in Wien
Archivbild: Eine Zelle im Polizeianhaltezentrum in Wien(c) Fabry (Die Presse)
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Darf eine Privatfirma ein Gefängnis betreiben, oder ist das Aufgabe des Staates? Der Wirbel um ein steirisches Schubhaftzentrum reißt nicht ab. Einige Punkte sind in der Tat auffällig.

Was ist schon dabei, wenn der Staat ein neues PPP-Modell (Public Private Partnership) anwendet, um den Betrieb eines Schubhaftzentrums zu organisieren? Was ist dabei, wenn der Staat seine Polizisten nicht für Hilfsdienste, sondern (nur) für qualifizierte Tätigkeiten einsetzt? Und was ist dabei, wenn der Staat durch Anheuern kostengünstiger Helfer öffentliches Geld spart? Nichts. Und doch entpuppt sich die Geschichte um das neue Gefangenenhaus für Schubhäftlinge im obersteirischen Vordernberg als Geschichte der Auffälligkeiten. Hier ist deren Auflistung.

Ganz oben auf der Liste steht der Umstand, dass in Österreich noch nie eine Einrichtung für (staatliche) Gefangene von einer privaten Firma zu einem Gutteil übernommen wurde. Zum Zug kommt nun erstmals G4S, der weltgrößte Sicherheitsdienstleister.

Die Population des Haftzentrums – es soll Anfang 2014 in Betrieb gehen – wird aus bis zu 200 Personen bestehen, denen die Abschiebung in ihre Herkunftsländer bevorsteht. In der strukturschwachen Region Vordernberg hofft man auf bis zu 180 neue Arbeitsplätze und eine Wertschöpfung von 13 Millionen Euro. Das setzt voraus, dass G4S – der Konzern hat einen 68-Millionen-Euro-Vertrag (Mindestlaufzeit 15 Jahre) mit der Gemeinde – entsprechend viele Leute aus der Gegend einstellt.

Wer ist nun der Boss?

Die – eben an sich schon auffällige – Tatsache, dass nun ein Privater zum Zug kommt, birgt in sich noch eine zusätzliche Auffälligkeit: Der eigentliche Betreiber des Zentrums ist kurioserweise gar nicht so leicht zu ermitteln. Für das Innenressort, das 55 Polizisten für das Zentrum abstellen will, sagt der frühere Leiter des Projekts Schubhaftzentrum, Generalmajor Peter Scherer: „Wir betreiben das Zentrum.“ G4S – zwar selbst eine Sicherheitsfirma – sorge keineswegs für Sicherheit oder Bewachung (hoheitliche Aufgaben), sondern organisiere Reinigungs-, Küchen-, Sanitätsdienste oder sorge für die Bedienung der Sicherheitstechnik. G4S sieht das anders. Der Konzern, der derzeit für Vordernberg Leute sucht, etwa für das Aufgabengebiet „gewaltfreie Kommunikation mit Insassen“, hält fest, man habe „einen Vertrag zum Betrieb“ des Anhaltezentrums. G4S-Österreich-Chef Matthias Wechner zeigte sich „äußerst erfreut, dass G4S ausgewählt worden ist, das Anhaltezentrum Vordernberg zu führen“. Wer nun wirklich führt, ist also eine Frage des Standpunkts.

Auffällig ist ferner, dass G4S als einziger Bewerber einer von der Gemeinde durchgeführten Ausschreibung zum Zug kam. Freilich kann der Konzern nichts dafür, dass die Konkurrenz nicht mitgeboten hat. Erwähnt sei aber, dass in der Zuschlagskommission auch zwei Leute aus dem Ministerium saßen. Nicht um Einfluss zu nehmen, sondern um die Qualität der angebotenen Leistungen zu sichern, heißt es nun im Innenressort. Dass G4S-Vorstand Wechner früher Vizekabinettschef von ÖVP-Innenminister Günther Platter war, habe mit dem Resultat der Ausschreibung nichts zu tun, beteuert man. Auch die Tatsache, dass Wechner und Projektleiter Scherer einst im Ministerium zusammenarbeiteten, habe mit der Vergabe an G4S nichts zu tun gehabt. Sagt zumindest Scherer.

Zuletzt sei eine Auffälligkeit erwähnt, die mit dem Anhaltezentrum – Vordernberg soll mit Wien und Salzburg zu einem der drei Hauptstandorte für Schubhäftlinge werden – zwar nicht zusammenhängt, aber trotzdem ins Spiel kommt: G4S hat nämlich auch an anderer Front zu kämpfen. Der Burgtheater-Billeteur Christian Diaz war erst vor einigen Tagen bei der Feier „125 Jahre Burgtheater an der Ringstraße“ unangekündigt auf die Bühne gestiegen, um gegen G4S als Arbeitgeber zu protestieren. Kaum jemand weiß: Nachdem Ende der 1990er-Jahre der Publikumsdienst der Bundestheater aus Kostengründen ausgelagert worden war, übernahm G4S die Beschäftigten, auch die Billeteure.

„Kulturgeld“ für G4S

Der redefreudige Billeteur ist mittlerweile seinen Job los. Dies heizt Proteste an. IG Kultur, Kulturrat Art but fair, Grazer Autorenversammlung und einige andere fordern das Burgtheater auf, nicht mehr mit G4S zu arbeiten. Nicht zuletzt, weil von der Firma auch das Anhaltezentrum Vordernberg betrieben werde. „Es ist unerträglich und inakzeptabel“, meint etwa der Kulturrat, „dass derartige Firmen auch mit Geld aus dem Kulturbudget bezahlt werden.“

AUF EINEN BLICK

Wo endet staatliche Pflicht, wo beginnt der privatwirtschaftliche Freiraum? Diese Debatte wird anlässlich des Anhaltezentrums für bis zu 200 Schubhäftlinge im steirischen Vordernberg, nahe Leoben, immer heftiger geführt. Das Innenministerium beteuert, dass 55 Beamte dort eingesetzt würden, um für Sicherheit zu sorgen. Der private Betreiber G4S werde sich nicht in hoheitliche Aufgaben einmischen. Doch die Angelegenheit weist einige Auffälligkeiten auf. Die reichen von Fragen der Aufgabenverteilung bis hin zu Vorgängen bei der Auftragsvergabe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2013)

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