Ehefrau vor Zeugen erstochen: „Lebenslang" wegen Mordes

Der Angeklagte, dem vorgeworfen wird seine auf offener Straße erstochen zu haben.
Der Angeklagte, dem vorgeworfen wird seine auf offener Straße erstochen zu haben.APA/HERBERT PFARRHOFER
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Ein zweijähriger Bub musste - ebenso wie Passanten - mit ansehen, wie der Vater in Wien auf offener Straße die Mutter tötete. Nun wurde der Mann verurteilt.

Wien. 1994 wanderte er aus Mazedonien nach Österreich aus. 2000 bekam er die österreichische Staatsbürgerschaft. Zuletzt arbeitete er als Tellerwäscher. Seine alte Heimat besuchte er regelmäßig. Dort lernte er 2010 eine Frau kennen. Er nahm sie mit nach Wien. Die beiden heirateten und bekamen einen Sohn. Als der Bub knapp zwei Jahre alt war, erstach Fazli M. die Frau und Mutter auf offener Straße. Das Kind wurde Zeuge. Fazli M. stand am Montag vor Gericht.

Senatsvorsitzende Eva Brandstetter vom Grauen Haus in Wien sitzt nun in ihrem schwarzen Talar am Richtertisch und hält ein besonders großes Messer hoch, dann stellt sie es senkrecht, sodass die Spitze der Klinge auf der Tischplatte Halt findet. „Wieso nehmen Sie dieses Messer mit, wenn Sie Ihre Frau treffen wollen?", fragt sie. M. (54), untersetzt, flankiert von zwei Beamten der Justizwache, lässt sich auf die deutsche Sprache nicht ein und sagt in Richtung einer vom Gericht zugezogenen Dolmetscherin: „Ich wollte sie überreden, mit dem Kind nach Hause zu kommen." Daher habe er am 20. Mai dieses Jahres auf der Simmeringer Hauptstraße gesagt: „Bleib stehen! Das Kind soll mit Mutter und Vater gemeinsam leben."

Verzweifelte Flucht ins Frauenhaus

Dazu muss man wissen, dass die Frau aus Angst vor den Schlägen und Misshandlungen des Mannes vor der Tat in ein Frauenhaus gezogen war. Schon zuvor hatte sie ein Betretungsverbot für die Ehewohnung erwirkt, dieses aber wieder aufheben lassen, als der Mann versprach, sich zu bessern. Die Frau hatte sich also gleichsam auf der Flucht befunden, als ihr Mann plötzlich mit dem Messer auftauchte.

Der Staatsanwalt versteht den Angeklagten nicht: „Ihre Frau zieht aus Angst vor Ihren Gewalttätigkeiten ins Frauenhaus, und Sie wollen, dass Sie wieder zu Ihnen zurückkehrt, indem Sie ihr ein Messer zeigen?" An dieser Stelle weiß auch der Angeklagte keine logische Antwort und wiederholt: „Ich wollte Sie überreden, nach Hause zu kommen." Und ja: „Ich wollte sie einschüchtern."

Die Szene muss angsteinflößend gewesen sein: Das spätere Opfer, 35 Jahre alt, war gemeinsam mit einer anderen Bewohnerin des Frauenhauses im elften Bezirk unterwegs. Beide Frauen schoben ihre Kinderwägen vor sich her. Da trat der Täter auf den Plan, packte seine Frau an der Schulter und zog ein Fleischermesser mit 24 Zentimeter Klingenlänge aus einem Plastiksackerl.

Mutige Passanten griffen ein - zu spät

Zeugen von damals schildern nun, der Mann habe die Frau zu Boden gerissen und auf sie eingestochen. Mindestens neun Mal, vielleicht zehn Mal. Genau lässt sich das schwer sagen, da die Stiche so heftig waren, dass eine bestimmte Verletzung von einem einzigen durchdringenden Stich oder von zwei separat geführten Stichen herrühren könnte. Die Frau verblutete noch am Tatort. Ihr zweijähriger Sohn stand am Straßenrand. Ein Zeuge erinnert sich an seine Rufe: „Mama, Mama". Nun lebt das Kind bei Pflegeeltern.

Passanten griffen damals mutig ein. Das Opfer lag aber bereits sterbend auf der Straße. Ein Autolenker blieb stehen, versetzte dem Täter einen Fußtritt und entwand ihm das Messer. Ein groß gewachsener Schüler half mit, den Täter zu fixieren.

Die Geschworenen entschieden nun mit sechs zu zwei Stimmen auf Mord. Auch Totschlag, also eine zwar ebenfalls vorsätzliche, jedoch in einem Affekt begangene Tötung, war von der Verteidigung in den Raum gestellt worden. Als Sanktion wurde lebenslange Haft verhängt. M. meldete Berufung an. Dann wurde er vor den Augen seiner beiden erwachsenen Söhnen aus erster Ehe aus dem Saal geführt. M. bekam sein „Lebenslang" übrigens an einem besonderen Tag, nämlich an seinem 54. Geburtstag.

Anmerkung der Redaktion:

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 29. Oktober 2013)

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