Wo die Martinigans zu Hause war

Seit zehn Jahren hält Margarete Almeder-Langmayr Gänse und Enten.
Seit zehn Jahren hält Margarete Almeder-Langmayr Gänse und Enten.Die Presse
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Am Martinitag haben Gänse Hochsaison – in der Küche. Ein Besuch bei den Freilandgänsen im oberösterreichischen Ansfelden.

Die gehen noch immer nach der Sommerzeit, die haben die Zeitumstellung noch nicht mitbekommen“, sagt Margarete Almeder-Langmayr und beobachtet ihre Freilandgänse und -enten auf ihrem Hof im oberösterreichischen Ansfelden. Immerhin ist es noch nicht einmal 16 Uhr und die Tiere haben sich schon auf der Wiese vor dem Stall versammelt. „Normalerweise sind sie auf der Wiese hinter der Böschung, heute sind sie schon heimgegangen“, sagt die Bäuerin und treibt die Gänse zusammen. Das ist nicht schwer, man braucht nur auf sie zuzugehen, und schon bilden die rund 1500 Tiere eine Herde und laufen unter großem Geschnatter gesammelt davon.

Wenn es dunkel wird, ist es besser, wenn die Gänse daheim sind. Denn der Fuchs lässt sich von ihrem lauten Schnattern nicht abhalten. Und gegessen sollen die Tiere zwar schon werden, aber lieber von den Kunden der Familie Langmayr, als von einem dahergelaufenen Fuchs. Seit zehn Jahren halten Margarete und Hannes Langmayr auf ihrem Bauernhof Gänse und Enten. Dazu kommen noch 600 Strohschweine und 50 Hektar Felder, auf denen Getreide, Mais und Zuckerrüben angebaut werden. „Begonnen haben wir mit 30 Stück Gänsen, das Jahr drauf haben wir gleich doppelt so viele gehabt“, sagt Almeder-Langmayr. Ihr Mann hatte die Idee. „Irgendwie taugen mir de Burschen“, sagt er. Und ein gutes Nischenprodukt seien sie auch. „Ab Allerheiligen war die Nachfrage heuer so stark wie noch nie.“

Jedes Jahr im April kauft die Familie Langmayr zwei Wochen alte Küken. „Die haben noch gelbe Federn und dürfen nur raus, wenn es schön ist.“ Denn in dem Alter fehlt ihnen noch die schützende Fettschicht. „Sie dürfen nicht nass werden, sonst haben sie gleich eine Grippe oder eine Lungenentzündung“, so die Hausherrin. Sobald das Fell weiß ist, dürfen sie immer raus. „Das taugt ihnen.“

Ab Mitte Oktober ist es für die Tiere dann aber vorbei mit der schönen Zeit auf der Wiese. Dann werden die heuer rund 1500 Gänse und 1000 Enten geschlachtet – auf Bestellung. Das muss so sein, weil sie eben nur frisch gut sind, erklärt der Bauer. Wirklich begeistert ist er davon aber nicht: „Die wären jetzt gerade richtig, ich füttere die nur auf Standby, man weiß nie, wann wer anruft. Aber fertig sind sie schon.“


80 Tiere pro Tag.
Seit Allerheiligen herrscht im Hof Hochbetrieb. „Wir haben jetzt lauter Nachtschichten und arbeiten ab drei Uhr früh“, sagt Frau Almeder-Langmayr. Genug zu tun haben die beiden auch unterm Jahr: „Er macht die Landwirtschaft, und ich bin Lehrerin.“ Beklagen will sie sich nicht, immerhin helfen die Tochter und der Schwiegersohn ebenso mit wie zwei Saisonarbeiter. Gemeinsam werden da schon 80 Tiere pro Tag geschlachtet. „Direkt auf dem Hof, es gibt also keinen Transport, der die Tiere unnötig stresst“, sagt Herr Langmayr. Die Tiere werden elektrisch betäubt und kommen dann in den Schlachttrichter, anschließend in eine Rupfmaschine, die ein bisschen an eine große Waschmaschinentrommel erinnert. Der Rest der Federn, die Feinarbeit, wenn man so will, erfolgt händisch. „Die kommen in ein Wachsbad, wie beim Enthaaren, und dann werden die Federn runtergezupft. Vor allem bei den Enten ist das eine mühsame Arbeit.“ Danach übernehmen die zwei Arbeiter in einem anderen Raum das Ausnehmen der Tiere. Verkauft werden die Gänse im Ganzen, hübsch eingepackt in einer Folie und mit einer Schleife. „Bratfertig“, nennt Frau Almeder-Langmayr das und fährt mit ihrer Hand in eine ebensolche Gans, um einen Plastiksack hervorzuholen, in dem sich die Leber und andere Innereien des Tieres befinden.

Die Leber ist für sie auch das Stichwort, um die Qualität der ungarischen Gänse zu kritisieren. „Die werden ausgemergelt wie ein Suppenhuhn. Dreimal gefedert, zweimal lebend und einmal nach dem Schlachten, dann wird auch noch die Leber gestopft, und am Schluss kommt das als ungarische Gans auf den Markt.“ Ihre Gänse werden hingegen nur für den Braten gemästet. „Man merkt an der Qualität, dass sich die Tiere frei bewegen können. Das Fleisch ist dunkler, kochfester und weniger fett“, sagt Herr Langmayr. Um zehn Euro pro Kilogramm verkauft er die Gänse, die Enten kommen auf neun Euro. Das Geschäft läuft gut, rund um den heiligen Martin verkauft er seine Gänse vorwiegend an die Gastronomie. Kurz vor Weihnachten häufen sich die Bestellungen von Privatpersonen. Die holen die Gänse auch gern persönlich ab. „Und fragen dann auch immer am Telefon, ob eh die Frau da ist, wegen dem Rezept“, stellt der Bauer fest.


Eine Stunde pro Kilogramm.
Diese gibt das auch gern weiter und hat auch gleich eine Grundregel parat, die da lautet: eine Stunde pro Kilogramm. „Ich mach das lieber bei niedriger Temperatur, maximal 140 Grad, aber die Stunde pro Kilo muss man unbedingt einhalten.“ Sie verrührt gern das heiße Fett mit Honig und pinselt den Braten am Ende der Zeit damit ein – „dann schmeckt es bissl süß“. Gefüllt wird die Gans mit einer Mischung aus Äpfeln, Zwiebeln, Dörrzwetschken, Semmelwürfeln und Gewürzen. „Dazu gibt es klassisch Rotkraut und Knödel“, sagt sie.

Herr Langmayr sieht mittlerweile hungrig aus. Wie oft er selbst Gänse isst? „So oft sie gemacht werden“, sagt er und verschwindet Richtung Schlachträume. Immerhin sind mittlerweile weitere Bestellungen eingelangt. „Von nichts kommt nichts“, sagt er noch schnell im Vorbeigehen und widmet sich wieder seinen Gänsen. Bis zum morgigen Montag hat er noch genug zu tun. Dann wird es wieder ein bisschen abflauen – bis Weihnachten. Da beginnt der Stress erneut. „Am 22. Dezember will ich aber eine Ruh haben, da ist keine Gans mehr auf dem Hof“, sagt er. Außer natürlich jener, die sich im Ofen befindet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2013)

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