Diskriminierung: Rassismus ist Alltag im Verkehr

(c) Clemens Fabry
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Experten beklagen, dass Migranten im öffentlichen Verkehr systematisch aufgrund ihres Aussehens „verdachtsunabhängig“ kontrolliert werden.

Wien. Obwohl Diskriminierung im öffentlichen Verkehr für Menschen mit Migrationshintergrund zum Alltag gehöre, sei das Bewusstsein dafür zu gering. Oftmals werde diese Problematik von den Verantwortlichen einfach geleugnet. „Bei uns gibt es so etwas nicht, lautet die Devise“, kritisierte der deutsche Antirassismusexperte Mark Terkissidis am Dienstag bei einer vom ÖAMTC veranstalteten Podiumsdiskussion zum Thema „Mobilität und Migration“ in Wien.

Die Grundlage für die Diskriminierung sei ein ganz konkretes Image, das insbesondere jungen Männern mit Zuwanderungsgeschichte anhafte, „nämlich, dass sie öfter in Delinquenzen verwickelt sind als die einheimische Bevölkerung“, sagt Terkissidis. „Dieses Vorurteil führt dazu, dass man ihnen aus dem Weg geht. Dass sich beispielsweise in der U-Bahn oder im Bus niemand neben sie setzt, um möglichen Konflikten aus dem Weg zu gehen.“ Daher würden diese Männer Orte, an denen sie besonders „sichtbar“ sind – also Orte wie manche Parks und Stadtteile, an denen sich nur wenige Menschen mit Migrationshintergrund aufhalten –, meiden und seien so in ihrer Mobilität eingeschränkt.

Die Ironie dabei sei: Migranten würden also nicht umgangen, weil man sie als fremd wahrnimmt und glaubt, zu wenig über sie zu wissen. Sondern weil man überzeugt davon ist, sie zu gut zu kennen und einordnen zu können.

Gezielte Kontrollen

Besonders verheerend ist die Wirkung des gezielten Kontrollierens von Migranten, betont Terkissidis. Zum einen würden Migranten dadurch wiederum sichtbar gemacht, zum anderen werde den Beobachtern suggeriert, dass sie sich vor diesen Personen verstärkt in Acht nehmen müssten.

Ein solches Vorgehen könne er bei den Wiener Linien ausschließen, entgegnet Karlheinz Klausner, Referatsleiter Kontrolle und Kundenservice. Jede der rund 18.000 Fahrscheinkontrollen solle ruhig und respektvoll ablaufen, darauf werde Wert gelegt. Weiter verbessern wolle man das eigene Verhalten unter anderem durch eine Schulung, die die Wiener Linien mit dem Verein Zara, einer Beratungsstelle für Betroffene von Rassismus, durchführen.

Vor diskriminierenden Kontrollen schütze aber auch das Auto nicht, meint Schauspieler und Menschenrechtsaktivist Patrick Bongola. Es gebe schließlich auch Verkehrskontrollen. „Und auch bei der Exekutive gibt es schwarze Schafe.“

Berücksichtigen müsse man auch, dass sich die Menschen im Verkehr in einer Stresssituation befinden, wodurch die Hemmschwelle für beleidigende Äußerungen herabgesetzt sei, so Terkissidis. Vielen sei gar nicht bewusst, dass sie mit harmlos wirkenden Aussagen wie „Ich weiß ja nicht, wie man bei Ihnen fährt, aber bei uns...“ eine Grenze zwischen zwei Gruppen ziehen und Menschen suggerieren würden, dass sie nicht dazugehören. „Aber“, so der Experte, „jeder Vorgang, mit dem zwischen ,uns‘ und ,ihnen‘ unterschieden wird, ist Rassismus.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2013)

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