Wiener Rochaden: Tauschen, ändern, neu bauen

(c) Peter Korrak / Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Das Parlament in die Hofburg, die Bildende und vielleicht auch Angewandte und Boku in die alte WU, und wohin weicht das Wien-Museum aus? Wiener Institutionen - und wie sie ihre Standorte tauschen, ändern und neu bauen lassen.

Umzugshelfern und Möbelpackern dürfte in Wien in den nächsten Jahren nicht langweilig werden. Zumindest, wenn sie sich mit Kunst, Kultur oder sensiblen Unterlagen auskennen. Denn zahlreiche Institutionen, vom Parlament bis zu Uni-Instituten oder Museen, ziehen um. Sie weichen kurzfristig – oder für Jahre – Bauarbeiten aus, manch eine Sammlung zieht temporär aus Wien weg, andernorts entstehen neue Kulturquartiere.

Das Parlament zum Beispiel ist so baufällig, dass die Abgeordneten in wenigen Jahren ihre Kisten packen (lassen) und für eine Weile in die Hofburg, in Containerbüros rund um die Burg oder in angemietete Räumlichkeiten in der Innenstadt umziehen müssen. Ab 2017, spätestens ab 2018 soll das Hohe Haus saniert werden. Dauern wird das (mindestens) 352-Millionen-Projekt mindestens drei Jahre.


Parlamentarier packen in drei Jahren. Nationalrat, Bundesrat und Hauptausschuss werden in dieser Zeit im Großen und Kleinen Redoutensaal der Hofburg tagen. Die Säle, in denen derzeit Konferenzen oder andere Privatveranstaltungen stattfinden, werden dann ausschließlich den Parlamentariern zur Verfügung stehen. Schließlich muss der Nationalrat innerhalb kurzer Zeit zusammentreten können, die Säle dürfen nicht blockiert sein. Noch wartet die private Betreibergesellschaft der Hofburg darauf, genau zu erfahren, wie viel Platz und welche Räume die Parlamentarier genau brauchen. Auch ist noch nicht klar, inwiefern die Republik rechtlich auf ihre Räumlichkeiten zugreifen kann, schließlich sind diese seit Jahrzehnten an eine private Betreibergesellschaft verpachtet. Wie genau der Eigentümer – vertreten in diesem Fall durch die Wiener Burghauptmannschaft – Eigenbedarf anmelden und durchsetzen kann, das werde derzeit geprüft, sagt Wiens Burghauptmann Reinhold Sahl. Aber, die Betreiber erwarten, dass der Kongressbetrieb „mit kleineren Einschränkungen“ fortgeführt werden kann. Schließlich ist die Hofburg groß, und die Redoutensäle gehören nicht zu den am dichtesten gebuchten Räumlichkeiten. Und schließlich ist der große Saal schon einmal jahrelang ausgefallen: Nach dem Hofburg-Brand im Jahr 1992 musste der Saal aufwendig renoviert werden, erst 1998 wurde er wieder in Betrieb genommen.
Trotz des ursprünglichen Zwecks der Säle – Maria Theresia hat sich überzeugen lassen, die damals aus Kostengründen leer stehenden Theatersäle für Bälle und Feste umzuwidmen; die erste Redoute, also ein Maskenball, hat 1748 stattgefunden – sind die Redoutensäle heute eher selten Ort der Hofburg-Bälle. Die Betreibergesellschaft geht davon aus, dass, sollte sich der Bedarf auf die Redoutensäle beschränken, das Ballgeschäft mit kleineren Einschränkungen fortgeführt werden kann.


Zwischenmieter für WU gesucht. Für die alte WU ist der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) mit dem Parlamentsumzug in die Burg aber ein potenzieller Zwischennutzer abhandengekommen. Die Uni-Gebäude in der Spittelau stehen bekanntlich seit vorigem Herbst großteils leer, seit Studenten, Lehrpersonal und der ganze restliche Uni-Betrieb in die Neubauten in der Leopoldstadt übersiedelt sind. Als zwischenzeitlicher Nachnutzer des desolaten Gebäudekomplexes am Alsergrund waren lange die Parlamentarier im Gespräch. Eine Absichtserklärung zwischen Parlament und BIG war schon vereinbart, nun hat das Parlament aber einen viel repräsentativeren Ausweichort gefunden, die alte Uni steht leer.

Ein paar potenzielle Zwischennutzer sind aber nach wie vor im Gespräch, vor allem Bildungseinrichtungen. Und, zumindest eine dürfte so gut wie fix sein: Die Akademie der bildenden Künste dürfte die alte WU als Ausweichquartier nutzen, während auf dem Schillerplatz gebaut wird.

Dort, auf dem Schillerplatz, stehen eine Generalsanierung der Hörsäle und Böden sowie eine Heizungssanierung an, außerdem sollen ins Kupferstichkabinett ein Studiensaal und ein Depot eingebaut werden. Der Start der Zwischennutzung der alten WU dürfte, wenn es bei diesen Plänen bleibt, Anfang 2015 sein. Das Gastspiel im Neunten dürfte bis zu vier Jahre dauern, dann kehrt die Akademie wieder auf den Schillerplatz in der Innenstadt zurück, auf dem sie immerhin schon seit 1877 ihren Sitz hat.


Kunst statt Wirtschaft. Mit wem sich die Künstler von der Bildenden ihren Zwischensitz teilen werden, ist noch nicht klar. Einige Zeit war die Angewandte im Gespräch, das ist aber noch eher unsicher. Die desolate Uni auf dem Oskar-Kokoschka-Platz hätte totalsaniert und ausgebaut werden sollen, aber das wurde jüngst vom Wirtschaftsministerium abgesagt. Nun soll das alte Gebäude notdürftig saniert werden. Wie der Betrieb an der Kunst-Uni in dieser Zeit weitergehen könne, da überlege man derzeit eine neue Strategie, heißt es an der Angewandten. Ob man überhaupt ein Ausweichquartier brauchen werde und ob es die WU werden könnte, das ist völlig offen. Damit ist der alten WU schon der zweite Nachnutzungskandidat innerhalb kurzer Zeit abhandengekommen: Aber, eine weitere Uni gibt es noch, die temporär kommen könnte: die Universität für Bodenkultur. Deren Hauptgebäude, das Gregor-Mendel-Haus, wird saniert und barrierefrei umgebaut. Um den Arbeitern Platz zu machen, könnten Teile der Boku im Sommer in die Spittelau übersiedeln. Fix ist aber auch das noch nicht, und so stehen weite Teile der desolaten Uni leer, sind versperrt und werden regelmäßig vom Sicherheitsdienst kontrolliert.


Sammlung könnte auswandern. Auch noch nicht entschieden ist, wie es mit dem Wien-Museum während der Sanierung weitergehen wird. Ein Neubau des Gebäudes wurde vorigen Herbst abgesagt, das marode Gebäude von Oswald Haerdtl wird generalsaniert. Bis die Arbeiter auf dem Karlsplatz anrücken, dauert es aber eine Weile. Erst sind Umwidmungen nötig, dann, aller Voraussicht nach 2015, soll der Architektenwettbewerb stattfinden.

Im besten Fall 2016, voraussichtlich aber erst „um 2017 herum“, wie Peter Stuiber vom Wien-Museum sagt, wird auf dem Karlsplatz umgebaut, die Sammlung wird dann wohl zumindest teilweise anderswo untergebracht werden müssen. Wie der Umbau vonstattengeht, das ist aber noch nicht entschieden, schließlich hängt das von der Architektur ab. Sicher ist, dass die Sanierung den Betrieb „extrem einschränken“ wird und die Sammlung ein Ausweichquartier brauchen wird. Das könnte eventuell im Ausland sein, denn eine Option wäre es, aus der Dauerausstellung in dieser Zeit eine große internationale Ausstellung zu machen, schließlich wären gerade die Klimt- und Schiele-Sammlung international gefragt, werden gewöhnlich aber nicht verborgt. Ob und wohin das Museum und seine Sammlungen aus dem Haerdtl-Bau temporär ziehen, das wird eine der Aufgaben der neuen Direktion. Der Vertrag von Direktor Wolfgang Kos endet, seine Stelle wird in den kommenden Monaten ausgeschrieben und im Sommer dieses Jahres besetzt, erst danach wird ein Plan für einen temporären Umzug erarbeitet. Gepackt wird im Wien-Museum aber schon jetzt. Denn das Museum hat in Himberg ein neues Depot erhalten und übersiedelt derzeit.

In unmittelbarer Nachbarschaft des Depots des Kunsthistorischen Museums entsteht nun ein Zentraldepot, die acht bisherigen Lagerstellen des Museums, die quer über die Stadt verteilt und teilweise völlig überfüllt waren, werden nun aufgelassen. Das Zentraldepot wäre auch eine Option als Lagerort der 2000 Stücke der Dauerausstellung während des Umbaus, die dann aber der Wiener Öffentlichkeit nicht zugänglich wäre. Dass das passiert, wird wohl ohnehin nicht zu vermeiden sein, nachdem die Option, ein neues Museum an einem anderen Ort aufzustellen, gestorben ist.


Kultur für Bahnhof gesucht. Für einen dieser Orte, der dafür im Gespräch war, den neuen Wiener Hauptbahnhof, wird nun nach wie vor nach kultureller Nutzung gesucht. Konkrete Pläne für die Kulturfläche gebe es „leider“, wie es von der Erste Bank, der Eigentümerin dieser Fläche, heißt, nach wie vor nicht. Im Gespräch ist weiterhin der Bau einer Musicalhalle. Oder eine Kunsthalle für die TBA-Sammlung, die von Francesca Habsburg gegründete Thyssen-Bornemisza Art Contemporary. Die Gespräche seien aber noch am Laufen. Zumindest eine Ausstellungsfläche wird es am Hauptbahnhof aber fix geben: Die Erste will dort ein Financial Literacy Center eröffnen, so Linda Michalech von der Erste Bank.

Gegenüber dem 21er-Haus soll eine Art „Museum des Geldes“ entstehen, das genaue Konzept wird derzeit ausgearbeitet. Das Museum, „wie das Technische Museum, nur für Geld und Finanzen“, wird ein Teil des Erste-Campus im Bahnhof. Dieser wird Mitte 2014 von außen fertig sein, die Umzugswagen des Konzerns werden aber frühestens Ende 2015 dort anrollen.


Generali Foundation geht. Die neue Kunst- oder Kulturfläche im Bahnhof könnte dann ein Loch füllen, das in der Nähe auf dem kulturellen Stadtplan bis dahin entsteht: In der Wiedener Hauptstraße siedelt die Generali Foundation ab, die 1988 gegründete Sammlung wandert in den kommenden Monaten ins Salzburger Museum der Moderne. Spätestens ab Ende 2015 sind die Räume dann zu vermieten – am besten, heißt es, an eine Kunstinstitution.

Wer geht, wer kommt

Das Parlament wird voraussichtlich ab 2017, spätestens ab 2018 saniert, die Parlamentarier werden dann in der Hofburg tagen, Büros werden in Containern errichtet oder angemietet.

Die alte WU verliert damit einen ihrer potenziellen Zwischennutzer: Dafür dürfte die Akademie der bildenden Künste temporär dort einziehen. Auch Angewandte und Boku könnten WU-Räume zwischenzeitlich nutzen.

Ein Zwischenquartier braucht auch das Wien-Museum während der Sanierung ab etwa 2017.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.