Polizei: "Dann müsste man jede Vierte zusperren"

Polizeiinspektionen
Polizeiinspektionen(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Bis zu 20 Polizeiinspektionen in Wien könnten geschlossen werden. Sanierungsbedürftig sind aber noch viel mehr, kritisieren Polizisten und Gewerkschaft.

Wien. Den Beamten fehlt der Platz. Es fehlen Räume zum Waschen und zum Umziehen, Spinde für die Ausrüstung, Schreibtische, und in manch einer Inspektion ist selbst der Raum für Gespräche knapp. Dann kommt es vor, dass Zeugen oder Opfer von Verbrechen für ihre Aussage oder Anzeige mitten im Parteienraum sitzen. Sie müssen den Hergang der Verbrechen– private Details inklusive – quasi allen diensthabenden Polizisten erzählen.

Das Beispiel zeigt: Die Polizeiinspektionen in Wien sind nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Im besseren Fall sind es schmucklose Zweckbauten, im schlechteren desolate Wachzimmer. Während in Wien über die Schließung von bis zu 20 Dienststellen verhandelt wird, gebe es eigentlich, betrachte man Ausstattung und bauliche Zustände, noch viel mehr Handlungsbedarf, klagen Beamte, die nicht namentlich genannt werden wollen. „Zwei Drittel“ der 95 Inspektionen in Wien entsprächen nicht den aktuellen Anforderungen, sagt auch Hermann Greylinger, der Chef der Polizeigewerkschaft FSG.

Sein Kollege von der freiheitlichen Polizeigewerkschaft AUF, Werner Herbert, schätzt den Anteil der Inspektionen, die „schwerst sanierungsbedürftig“ seien, auf österreichweit ein Drittel. Die Bausubstanz sei in die Jahre gekommen, für Sanierung und Instandhaltung gab es oft kein Geld. „Würde das Bundesbedienstetenschutzgesetz genau eingehalten, dann müsste man eigentlich ein Viertel aller Inspektionen schließen“, sagt Herbert. Dieses Gesetz legt, ähnlich dem Arbeitnehmerschutz- und Arbeitsinspektionsgesetz, fest, wie die Räume ausgestattet sein müssen, in denen Staatsbedienstete arbeiten. Und das entspräche nicht mehr der Zeit – und den Anforderungen an die Polizei.

Kein Platz für Einsatz-Equipment

Schließlich entstammen Struktur und Größe der Dienststellen – diese gehen zum Teil zurück bis in die Kaiserzeit – einem Polizeialltag, der sich draußen abgespielt hat, als der Polizist vor allem als Wachdienst auf Streife war. Heute, da die Beamten einen Gutteil der Zeit hinter Bildschirmen verbringen, fehle Platz für ausreichend viele Computerarbeitsplätze und für technisches Equipment. Zwei Drittel des Platzes in den Inspektionen, sagt Herbert, brauche man für die Unterbringung der Logistik. Für Alkomaten, Server, Papier, Spinde der Beamten mit Uniform, Ausgeh-Uniform, Overall oder Einsatzgerät vom Helm bis zur Turtle, dem Oberkörperschlagschutz. Dieses Equipment sollte eigentlich sofort griffbereit sein. Fehlt in Inspektionen der Platz, werden mitunter Nebenräume über den Gang oder im Stock über der Inspektion angemietet, um alles unterzubringen. Das passiert öfter in Gemeindebauten. Die Polizei im Gemeindebau hat in Wien Tradition – auch aus finanziellen Gründen. Denn die Mieten, die Wien von der Polizei verlangt, sind dank der Sicherheitspartnerschaft zwischen Gemeinde und Innenministerium gering bis bloß symbolisch. Daher dürften die Mieten auch in der Spardebatte rund um die Dienststellenschließungen keine Rolle spielen – da geht es vielmehr um Personalkosten.

Barrierefreie Zugänge fehlen

Der Großteil der Wiener Inspektionen ist heute immer noch in kommunalen, staatlichen oder staatsnahen Gebäuden untergebracht, wenige in privaten Häusern. Auch neue Inspektionen werden staatsnah errichtet. In den neuen Wiener Bahnhöfen Wien-Mitte oder am Westbahnhof sind zwei der neuesten – und damit modernsten und am besten ausgestatteten – Inspektionen der Stadt entstanden. Anderswo hat man die Gelegenheit ausgelassen. Am Praterstern, einem der Wiener Orte mit größerem Polizeibedarf, zum Beispiel wurde der Bahnhof neu gebaut, die Polizisten versehen ihren Dienst aber nach wie vor im alten, heruntergekommenen Polizeibau gegenüber. „Man hat verabsäumt, im Bahnhof etwas zu machen“, sagt Greylinger und spricht von Fehlplanung.

Es ist eine der Dienststellen, der jene Ausstattung, wie sie vor zehn Jahren im Reformprojekt „Moderne Polizei“ als Standard festgelegt wurden, fehlt. Greylinger erzählt von Schimmel in Bädern, von heraushängenden Kabeln, von bröckelndem Putz, auch bei den (vorgeschriebenen) barrierefreien Zugängen sei die Polizei „sehr säumig“. Ihm, so Greylinger, sei es bei manchen Inspektionen „ganz recht“, dass sie geschlossen werden – etwa in der Karl-Tornay-Gasse in Liesing. Die ist so desolat, dass selbst die Beamten, die dort stationiert sind, nichts dagegen hätten, würde ihre Inspektion geschlossen. Offizielle Vertreter der Polizeidirektion wollen sich derzeit im Detail nicht zum Zustand der Wachzimmer äußern. Man wolle die Debatte über Schließungen nicht schüren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2014)

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