Graz will Menschenrechts-Musterstadt werden

Umfangreiches Programm. Mehr Integration, interreligiöse Führungen und ein Menschenrechtspreis.

GRAZ. Die Pläne reichen bis ins Jahr 2001 zurück. Schon damals schlug das in Graz angesiedelte Europäische Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte (ETC) die Installierung eines Menschenrechtsbeirats vor. Am Donnerstag ist es soweit: Das 18-köpfige Gremium konstituiert sich. Es ist die europaweit erste derartige Einrichtung und setzt sich aus Vertretern der Religionsgemeinschaften, der Wissenschaft, der Exekutive, Legislative und Wirtschaft sowie von Menschenrechtsorganisationen und Kulturschaffenden zusammen.

Der Beirat soll der Stadtpolitik einmal jährlich einen Bericht über die Situation der Menschenrechte in Graz liefern. „Es ist in den letzten Jahren besser geworden, es kann aber noch besser werden“, zieht Fred Ohenhen eine erste Zwischenbilanz. Der gebürtige Nigerianer lebt seit 1990 in Graz. „Wir haben diesbezüglich eine hohe Verpflichtung gegenüber der UNO“, begründet Bürgermeister Siegfried Nagl die Initiative.

Immerhin schmückt sich Graz seit 2003 als damals erste Stadt Europas und vierte weltweit mit der Auszeichnung „Stadt der Menschenrechte“. Der Titel ist Programm: Es geht um die selbstauferlegte Verpflichtung der besonderen Beachtung der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen. Der Beirat soll deren Einhaltung und Förderung in Graz beobachten, darüber ein Mal jährlich berichten, Bewertungskriterien erarbeiten und bei Missständen Empfehlungen an die Stadtpolitik aussprechen.

„Es bleibt abzuwarten, ob der Bürgermeister die Nerven hat, dem Gremium ausreichend Spielraum zu geben“, sagt Edith Zitz, Menschenrechtssprecherin der steirischen Grünen. Sie erinnert im Gespräch mit der „Presse“ an „verbale Entgleisungen in der Vergangenheit, durch die der Bürgermeister dem Ruf der Menschenrechtsstadt nicht gerecht geworden ist“. Zitz meint damit Nagls Verweis auf die „lange Geschichte von Graz als Bollwerk eines westlichen Europas gegenüber den türkischen Übergriffen“, mit dem er sich vor zwei Jahren vehement gegen einen EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen hatte.

Gratis-Nachhilfe für Ausländer

Heute setzt er vor allem auf Integration der in Graz lebenden Ausländer. 350.000 Euro sind im Budget für entsprechende Projekte vorgesehen. So sollen Jugendliche im Volksgarten, einem von Ausländern besonders stark frequentierten Park im Bezirk Lend, über Internet-Workshops und künstlerischer Projekte angesprochen werden, in einem „offenen Lerncafe“ soll in Kooperation mit der Caritas Nachhilfe und Nachmittagsbetreuung für Kinder ausländischer Familien angeboten werden.

Ab Mai werden interreligiöse Stadtführungen angeboten, bei denen man im Rahmen eines Spaziergangs die Gebetsorte der fünf Weltreligionen in Graz kennen lernen kann. Und im kommenden Schuljahr startet erstmals in Österreich eine zweisprachige Volksschulklasse, wo neben Deutsch auf Kroatisch unterrichtet wird. Thematischer Höhepunkt wird die erstmalige Verleihung eines Grazer Menschenrechtspreises für Verdienste um die Menschenrechte am 9. Dezember sein.

Inline Flex[Faktbox] LEXIKON("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2007)

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