Hauptbahnhof: Riesenwirbel um ÖBB-Ausschreibung

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Warum Juristen an ÖBB-Argumenten zweifeln, der Architekten-Wettbewerb für die Bahnhof-City vertagt ist und Stadtrat Schicker Jury-Sitzungen nicht mag.

WIEN.Die Turbulenzen um die ÖBB-Ausschreibung für die „Bahnhof-City“ beim künftigen Wiener Hauptbahnhof werden immer größer: Die ÖBB haben am Mittwoch den Architektenwettbewerb für dieses Projekt bis zur Klärung der rechtlichen Lage durch das Bundesvergabeamt (BVA) gestoppt. Zugleich sehen Experten in der kommenden Entscheidung des BVA einen Präzendenzfall für alle künftigen öffentlichen Ausschreibungen.

Vergaberechts-Juristen hegen mittlerweile erhebliche Zweifel an der Argumentation der ÖBB, dass eine EU-weite Ausschreibung nicht nötig sei. Die Vorgeschichte: Die ÖBB-Immobilienmanagement GmbH hat im Herbst einen geladenen Architektenwettbewerb für die Bahnhof-City (siehe Grafik) vor dem eigentlichen Hauptbahnhof-Gebäude ausgeschrieben. Und ein Architektenkonsortium hat vergangene Woche die ÖBB-Ausschreibung beim BVA angefochten. Dieses will in sechs Wochen die Causa klären. Die ÖBB argumentieren damit, dass die ausschreibende GmbH eine Tochtergesellschaft der ÖBB sei, die sich am privaten Markt behaupten müsse und aus diesen Gründen nicht dem Bundesvergabe-Gesetz unterliege.

Vergaberechtsexperte Georg Streit kennt die Unterlagen zu dem Fall zwar nur aus den Medien, aber er „kann sich nicht vorstellen, dass die ÖBB-Juristen so argumentieren und sagen, sie seien kein öffentlicher Auftraggeber. Auch bei 100-Prozent-Töchtern gilt das Vergaberecht.“ Der Vergabejurist Stefan Heid sieht dies ähnlich. Er halte die ÖBB-Immotochter „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ für einen öffentlichen Auftraggeber, der damit verpflichtet sei, das Vergaberecht anzuwenden.

Problem Riesenrad-Vorplatz?

Die BVA-Entscheidung wird aber nicht nur Auswirkungen auf die ÖBB (eventuell neue Ausschreibung) haben, sondern auch auf die Stadt Wien. Zwar gibt es einen offiziellen Wettbewerbsleitfaden, an den sich ausschreibende Rathaus-Abteilungen halten müssen, „es gibt aber zahlreiche Verfahren die unsauber laufen – besonders bei den Töchtern der Stadt“, meint die Grüne Planungssprecherin Sabine Gretner. Exemplarisch sei der Auftrag für die Errichtung des Riesenrad-Vorplatzes, der 2006 ohne Ausschreibung erfolgte. Das Millionen-Projekt wird nicht von der Stadt direkt, sondern von der Riesenradplatz Errichtungs-GesmbH, einer 100-Prozent-Tochter der „Stadt Wien Marketing und Prater Service GmbH“, abgewickelt, wobei diese selbst wieder eine 100-Prozent-Tochter der Stadt ist. Den Konzeptions-Auftrag erhielt dann die Firma Explore formal von einer Leasing-Tochter der am Projekt beteiligten Immoconsult. Für Vizebürgermeisterin Grete Laska ist dieser Vorgang durchaus rechtens, da es sich um eine Tochter der Tochter handle. Das Kontrollamt wurde aber eingeschaltet.

Wirbel gibt es mittlerweile auch um die ersten Jury-Sitzungen für die Bahnhof-City. Montag und Dienstag trafen sich die 13 Mitglieder aus Architektur, Wirtschaft, Politik und wählten drei Projekte – Hollein, Feichtinger, Behnisch– aus. Die weiteren Juryentscheidungen sind aber bis zum Vorliegen des BVA-Entscheides vorerst gestoppt.

Einige Mitglieder üben nun auch Kritik am Juroren Stadtrat Rudolf Schicker. Dieser hat an den Sitzungen nicht teilgenommen, mit der Begründung, dass die ÖBB zuerst rechtlich klären müssten, ob die Ausschreibung rechtskonform war. „Das ist ein Eiertanz Schickers“, sagt Susanne Reichard, VP-Bezirksvorsteherin im Vierten und Jurymitglied. „Immerhin saß sein offizieller Stellvertreter in der Jury – und dazu noch der MA-19 Chef.“ Wenn die Stadt Bedenken habe, müsse man alle Vertreter abziehen.

AUF EINEN BLICK

Im vorderen Bereich des neuen Hauptbahnhofes (Eröffnung 2013) soll die Bahnhof-City mit Bürogebäuden und einem 100-Meter-Turm entstehen. Die beschränkte Ausschreibung der ÖBB für dieses neue Viertel hat heftige Kritik hervorgerufen. Jetzt muss das Bundesvergabeamt entscheiden, ob die Ausschreibung rechtens war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2008)

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