Innsbruck, Hauptstadt der Snowboarder

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Innsbruck ist die inoffizielle Snowboard-Hauptstadt Europas. Doch dort, wo es einst um die Vermittlung eines Lebensgefühls ging, dominiert heute „nur“ noch ein Millionen-Geschäft.

INNSBRUCK. Nach Büroschluss das Board schnappen und direkt auf die Seegrube fahren. Was San Diego den Surfern ist, das ist Innsbruck den Snowboardern: das Paradies. Nirgendwo sonst wird der Brettsport derart gelebt. Snowboarden ist hier nicht nur Hobby, sondern Lebensmodell. Doch der verrückte Trend aus den 1980er-Jahren ist längst erwachsen geworden. Aus den coolen Pionieren von einst wurden smarte Manager eines Millionen-Dollar-Business. Und in Europa ist Innsbruck dessen unumstrittenes Zentrum.

Wie die Szene diesen Wandel vollzog, lässt sich an Hand der Person Hannes Schöneggers beschreiben. Der 37-jährige Seefelder ist selbst Snowboardpionier und fuhr schon 1988 auf „selbst gebauten Brettern“. 1992 begann er damit erste Snowboardevents zu veranstalten. Heute ist Schönegger Management-Boardmember der „Ticket To Ride – Worldsnowboard Tour“ (TTR). Unter seinem Marken-Kapuzenpulli lugt der Hemdkragen hervor.



„Innsbruck ist ein

Knotenpunkt in Sachen Snowboard.“

Hannes Schönegger,

Snowboard-Pionier und Unternehmer

Die TTR selbst wurde wiederum von den legendären Snowboardprofis Reto Lamm und Terje Haakonsen gegründet. Ihren operativen Sitz hat die weltweit aktive TTR in der Innsbrucker Valiergasse. „Weil Innsbruck ein Knotenpunkt in Sachen Snowboard ist“, sagt Schönegger.

Ihre Bedeutung für die Snowboardwelt verdankt die Tiroler Landeshauptstadt in erster Linie der Geografie. Doch neben den Bergen ist es die Firma Burton, die Innsbrucks Ausnahmerolle schon in den 1980er-Jahren mitbegründete. Der Snowboardkonzern unterhält hier sein Europahauptquartier, sowie den einzigen Flagshipstore am Kontinent. Schon Anfang der 1990er-Jahre unterstütze Burton die jungen Wilden der so genannten „Innsbruck-Mafia“ als Sponsor. Eine Gruppe befreundeter Snowboarder, aus der die ersten Profis des Sports wie Martin Freinademetz, Max Plötzeneder oder der verstorbene Thomas Brunner hervorgingen.

Auch Max Walch war damals mit von der Partie und erinnert sich gerne zurück: „Es war viel einfacher als heute. Du musstest bloß einen Contest fahren und hattest schon einen Sponsor.“ Heute ist Walch Geschäftsführer in einem Innsbrucker Snowboardladen und betreut selbst ein kleines Profiteam. So „frei im Kopf“ wie damals, seien die Kids heute nicht mehr. Denn je mehr Geld im Spiel ist, umso seriöser werde der Sport. Worunter wiederum der Spaßfaktor leide.

Er fährt heute nur noch zum Spaß Snowboard. Dennoch erhält er sein Equipment kostenlos von Sponsoren: „Ich bin ein Werbeträger. Die Kids kennen mich.“ Doch im Grunde ist ihm die gnadenlose Vermarktung zuwider, sagt er. Ein Widerspruch?

Nein, schließlich müsse auch er Geld verdienen. „Wichtig ist, dass die Szene und ihre Werte im Vordergrund stehen.“ Schon wendet er sich wieder der Kundschaft zu und erklärt einem Jugendlichen, wieso echte Boarder ihre Hosen in den Kniekehlen tragen.

Die „Dinos“ – wie Snowboarder jenseits der 30 intern gerne genannt werden – haben also ihr Auskommen gefunden. Die heute aktiven Sportler kämpfen indes mit den geänderten Verhältnissen im Snowboardzirkus. Chris Percival ist einer von ihnen. Der 26-jährige Profi fährt im Team von Walch. Er hält mit seiner Kritik am „Business“ nicht hinterm Berg: „Romantisch ist gar nichts daran. Ich reiße mir den Arsch auf um Shootings (bezahlte Foto- oder Filmaufnahmen; Anm.) zu kriegen.“

Heute sei die Konkurrenz derart groß, dass fahrerisches Können alleine nicht mehr reiche. Percival, der lange schwarze Haare und einen markanten Schnauzbart trägt, boardet in Jeanshosen. Wer sich vermarkten will muss ein Typ sein.

Er spricht auch über die Risiken des Sports: Verletzungen. Denn wer nicht fahren kann, der verdient auch nichts: „Ich habe eine sauteure Sportunfallversicherung. Die zahlt aber erst, wenn ich zu 50 Prozent invalid bleibe. Im Grunde bin ich eine absolut billige Industriehure.“



„Im Grunde bin ich eine billige Industriehure.“

Chris Percival, Profi-Snowboarder

Doch trotz aller Risken und Nachteile würde er niemals etwas anderes machen wollen und schickt nach: „Im Grunde ist es die Szene selbst, die den Sport so pusht.“

WAS WURDE AUS . . .

. . . den „alten“ Tiroler Stars des Snowboard-Zirkus?

Max Plötzeneder: Frisch geschieden aus den USA zurückgekehrt. Arbeitet im elterlichen Betrieb in Thaur und schließt sein FH-Studium ab.

Nici Pederzolli: Mit Alexander Rottmann, dem Trainer der deutschen Freestyler, verheiratet und Mutter. PR-Arbeit für Burton-Challenge und Snowboardlehrerin.

Martin Freinademetz: Lebt mit Familie in Rumänien, wo er als Bauleiter und Eventmanager tätig ist. (Im Bild 1998 in Japan). [APA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2008)

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