Ein konfliktträchtiges Szenario

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In Wien steht ein junges Paar vor Gericht, das wegen al-Qaida-Mitgliedschaft angeklagt ist. Die Frau kommt voll verschleiert - und wird von der Verhandlung ausgeschlossen.

Eine Angeklagte steht vor ihrem Richter. Dieser muss ein Urteil finden. Und hat ein Problem: Die Angeklagte ist verschleiert. Von oben bis unten verschleiert – bis auf einen schmalen Sehschlitz.

Dieses konfliktträchtige Szenario prägte heute, Montag, erstmals in Österreich einen Prozessbeginn – das Terrorverfahren gegen Mona S. (21) und Mohamed M. (22). Begonnen hat die Verhandlung mit einem Knalleffekt: Der Schwursenat schloss die Zweitangeklagte aus, weil sie sich weigerte, ihren Gesichtsschleier in der Verhandlung abzulegen.

Da die Frau zur Tatzeit erst 20 war und somit als „junge Erwachsene“ gilt, steht das Duo vor einem Geschworenen-Senat unter Vorsitz eines Jugendrichters. Dieser hatte nun zu entscheiden, ob er die Verschleierung der Angeklagten toleriert oder nicht. Und wenn nicht? Klar ist, dass im österreichischen Strafprozess die Prinzipien der Öffentlichkeit und der Unmittelbarkeit gelten. Demnach sind alle Beweise sozusagen vor aller Augen aufzunehmen. Es dient der Wahrheitsfindung, wenn Geschworene die Gesichter der Verdächtigen sehen können. Umgekehrt: Wie soll sich ein Senat ein vollständiges Bild machen, wenn nur eine schwarz verschleierte Figur zu sehen ist?

Schleier ''nicht als Pflicht''

Anas Schakfeh, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) sieht die Vollverschleierung in seiner Religion nicht als Pflicht an. Die große Mehrheit der Glaubensgelehrten sei dieser Meinung, sagte er am Montag. Lediglich eine Minderheit im Islam würde auf das Tragen eines Vollschleiers, wie die Zweitangeklagte im Terror-Prozess im Wiener Straflandesgericht, beharren.

Die Entscheidung des Schwurgerichts wollte Schakfeh nicht werten. Eine islamische Vorschrift sei der Gesichtsschleier allerdings "sicher nicht".

Welche Mittel stehen also dem Vorsitzenden – im konkreten Fall handelt es sich um Norbert Gerstberger, einen routinierten und umsichtigen Richter – zur Verfügung? Er kann die Verschleierung als „ungeziemendes Benehmen“ einstufen und die Angeklagte ermahnen, das Gesicht zu enthüllen. Lehnt die Angeklagte ab (eine durchaus realistische Annahme), kann das Gericht die Frau des Saales verweisen und in ihrer Abwesenheit verhandeln. Beispiel für eine solche Vorgangsweise: Der Prozess gegen den (mittlerweile verstorbenen) „Briefbomber“ Franz Fuchs. Dieser schrie lauthals rassistische Parolen. Der Senat entschied auf „ungeziemendes Benehmen“, ließ ihn aus dem Saal führen und verhandelte ohne den Angeklagten.

Der Wiener Strafrechtsprofessor Frank Höpfel ist der Ansicht, dass eine bis auf einen Sehschlitz verhüllte Angeklagte unbedingt aufgefordert werden müsse, ihr Gesicht zu zeigen. Bei „Beharren“ auf den Schleier sei eine solche Angeklagte „aus dem Saal zu entfernen“. Es liege aber im Ermessen des Richters, die Angeklagte – trotz Verschleierung – im Saal zu dulden. Diesen Weg wird wohl auch das Wiener Gericht für die gesamte Dauer der mehrtägigen Verhandlung einschlagen. Es handelt sich eben um eine Angeklagte – und nicht um eine Zeugin.

Eine Angeklagte kann aussagen, muss aber nicht. Eine Angeklagte darf auch (straflos) lügen, sie darf alles tun, was ihrer Verteidigung dient. Insofern kann das Tragen des Schleiers als Inanspruchnahme des Schweigerechts ausgelegt werden. Jedenfalls betritt der Senat juristisches Neuland. Eine allgemein anerkannte Lösung dieser Problematik gibt es (noch) nicht.

Beugestrafen für Zeugen

So viel steht fest: Bei verschleierten Zeugen sieht die Sache anders aus. Einer zur Wahrheit verpflichteten Zeugin, die ihr Gesicht nicht zeigt, drohen Beugestrafen. Das können Geldstrafen (bis zu 1000 Euro) oder Haftstrafen (bis zu acht Tagen Arrest) sein. Und wenn sich eine streng gläubige Muslimin unter Verweis auf den Koran trotz Beugemittel weigert, ihr Gesicht zu zeigen? Soll dann das Gericht der Justizwache auftragen, den Schleier mit Gewalt zu entfernen? Die Lösung dieser heiklen Fragen dürfte spätestens mit Beginn des nunmehrigen Prozesses auch für politische Debatten sorgen. 

AUF EINEN BLICK

Der Terror-Prozess gegen ein junges Wiener Paar ist vorerst für 3., 5. und 6. März anberaumt. Voraussichtlich wird die Zeit nicht reichen, sodass am 12. März weiter verhandelt werden dürfte. Problematisch ist die Frage, ob die Angeklagte ihre Burka abnehmen muss oder nicht.

("Die Presse"/APA/Red.)

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