Richter verbietet Burka im Gerichtssaal

(c) (Clemens Fabry)
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Terror-Prozess: Eine 21-jährige Angeklagte erscheint voll verschleiert im Gerichtssaal. Die streng gläubige Muslimin weigert sich, ihr Gesicht zu zeigen – und wird des Saales verwiesen.

WIEN. Die Angeklagte ist von oben bis unten schwarz verschleiert. Abgeschirmt von drei Justizwachebeamtinnen wartet sie auf das Erscheinen des Richtersenats. Wenn die junge Frau sitzt und ihre Burka nicht mehr ganz den Boden berührt, entdeckt man ein paar Zentimeter ihrer Jeans und Sportschuhe. „Ich darf mein Gesicht fremden Männern nicht zeigen“, sagt Mona S., als der Richter erscheint und sie auffordert, den Schleier abzunehmen. Sie weigert sich. Der Richter duldet die „Vermummung“ nicht und verweist die 21-jährige nach zähem verbalem Ringen des Saales.

Die Szene zum Auftakt des für mehrere Tage anberaumten Terror-Prozesses im Straflandesgericht Wien hätte dramatischer nicht sein können. Zuerst wendet sich der Vorsitzende des Geschworenen-Senats, Richter Norbert Gerstberger, demonstrativ an die Justizwache: „Wer ist die vermummte Person?“ Pause. „Ist das die ,Zweitangeklagte‘?“ Kopfnicken bei den Wachebeamtinnen.

Apropos „Zweitangeklagte“: Als „Erstangeklagter“ hat sich Mohamed M. (22) zu verantworten. Nach islamischem Recht ist er der Ehemann von Mona S. Ihm wird vorgeworfen, sich an einer terroristischen Vereinigung beteiligt zu haben, indem er im Internet zu Terroranschlägen im Namen des Islam aufrief. Mona S. soll als Übersetzerin fungiert haben. Beide Angeklagte sind in Wien geboren, beide bekennen sich nicht schuldig, beide berufen sich auf die Vorschriften des Koran.

Mona S.: „Viele fremde Männer“

Zurück zum Beginn der Verhandlung: Nachdem Mona S. als identifiziert gilt, sagt der Richter: „Sie dürfen in einem Gerichtssaal nicht vermummt sein.“ Die Glaubwürdigkeit von Angeklagten könne man nur beurteilen, wenn man deren Gesichter sehen könne. Außerdem: „In einem freien Land wird die Vermummung als unhöflich empfunden.“

Mit schwacher, mädchenhafter Stimme sagt die Angeklagte kaum hörbar etwas von „Gott“ und von „Religionsfreiheit“. Darauf wird der (mit langjähriger Gerichtserfahrung ausgestattete) Richter noch deutlicher: „Österreich ist kein Gottesstaat. Aber vielleicht wünschen Sie sich das...“ Und: „Wir lassen uns nicht vorschreiben, wie wir unsere Prozesse führen sollen. Religionsfreiheit heißt nicht, dass man den Prinzipien der Rechtsordnung widerstreitet.“ – „Ich will niemanden beleidigen“, haucht die Angeklagte. Weiter: „Der Prophet hat den Koran erklärt, ich darf mein Gesicht fremden Männern nicht zeigen.“

Der Richter lässt sich zunächst auf die zaghaft vorgetragenen Einwände der überfordert wirkenden jungen Frau ein, geht sogar auf die „fünf Säulen“ des Islam (Glaube an Gott, Gebet etc.) ein, zieht aber die Schraube immer weiter an: „Ich fordere Sie auf, den Schleier abzunehmen. Ich gebe Ihnen fünf Minuten Bedenkzeit.“

Der Senat zieht sich zurück, fünf Minuten vergehen. Dann der Richter: „Ich frage Sie noch einmal ...“ Mona S.: „Hier sind so viele fremde Männer. Ich kann mein Gesicht nicht herzeigen. Ich bin Moslem.“ Nun zieht Gerstberger einen Schlussstrich. Er schließt Mona S. gemäß § 234 der Strafprozessordnung von der Verhandlung aus. Demnach können Angeklagte aus dem Saal „entfernt“ werden, wenn sie sich „ungeziemend“ benehmen.

Mona S. steht auf, fragt, ob sie sich von ihrem Mann verabschieden darf, umarmt diesen, man hört, dass sie weint. Dann wird sie mit Handschellen gefesselt und nach draußen geführt. Sollte S. den Schleier doch abnehmen, darf sie wieder in den Saal. Der Verteidiger der beiden, Lennart Binder, protestiert heftig: Das Gericht sei befangen, der Prozess nichtig. Binder: „Ihr wird das Recht genommen, sich zu verteidigen.“

„Verteidigung ist Moslempflicht“

Schließlich wird Mohamed M. einvernommen. Das Gesprächsklima ist gespannt. Immer wieder sagt der U-Häftling zum Richter: „Sie lassen mich nicht ausreden.“ Und bekommt zu hören: „Sie beantworten meine Fragen nicht.“

Konkret geht es um ein Drohvideo, das im März des Vorjahres via Internet in Umlauf gebracht wurde. Darin wird sowohl die österreichische als auch die deutsche Bundesregierung wegen der Entsendung von Soldaten nach Afghanistan bedroht. M. erklärt weitschweifig: „Wenn der Feind islamischen Boden auch nur eine Handbreit angreift, ist es Pflicht sich zu verteidigen.“ Das Video will er aber nicht produziert haben. Er habe lediglich via Internet bereits fertige, seiner Ansicht nach heikle Textpassagen markiert und den markierten Text wieder an unbekannte Internet-User retourniert. Er habe nicht gewusst, dass ein Video hergestellt werde.

Zu seinen Aktivitäten bei der Internet-Platform „Globale Islamische Medienfront“ (GIMF) merkt der zuletzt beschäftigungslose Maturant ägyptischer Abstammung an: Die GIMF sei keine Terrororganisation. M. verweist darauf, dass GIMF-Mitglieder nur unter Pseudonymen bekannt seien – „Wie kann ich so jemanden zu einem Terroranschlag schicken?“ Fortsetzung am Mittwoch.

AUF EINEN BLICK

Weil die Angeklagte Mona S. (21) sich weigerte, ihr Gesicht zu zeigen, wurde sie vom Richtersenat (Vorsitz Norbert Gerstberger) des Saales verwiesen. Ihr und ihrem Mann Mohamed M. (22) wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation vorgeworfen. Beide bekennen sich nicht schuldig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2008)

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